Lesley Pearse
Als sie aus San Francisco zurückgekehrt war, hatten sie besser ausgesehen, aber jetzt waren sie wieder grob wie zuvor.
Siebzehn Tage nachdem die Männer das Sägewerk verlassen hatten, galoppierte Sidney abends zum Haus und berichtete, MacPherson und zwei seiner Leute seien mit der ersten Ladung zurückgekehrt. Sie hatten abgeladen, und einer war bereits umgekehrt, um das restliche Holz zu holen. »Ich mag diesen Mann nicht, er ist ein richtiges Tier«, schimpfte Sidney, atemlos von seinem Ritt nach Hause. »Aber ohne Zweifel ein Arbeitstier. Er sagte, sie hätten von morgens bis abends geschuftet.«
Matilda wäre am liebsten auf die Knie gesunken, um ein Dankgebet zu sprechen. »Hoffentlich arbeitet er auch weiterhin so gut! Morgen komme ich mit und sehe mir das Ganze an.«
Wenn Matilda angenommen hatte, die Arbeit auf dem Feld hinter der Hütte sei zermürbend, fand sie bald heraus, dass die Leitung eines Sägewerks noch viel anstrengender war. Die Männer sägten auch bei der größten Hitze, die Späne flogen, und das Sägemehl nahm ihr den Atem. Sogar wenn sie nach oben in das kleine Büro über dem Werkraum flüchtete, folgte es ihr. Doch dort hielt sie sich nur selten zum Ausruhen auf, denn sie konnte viele kleine Arbeiten erledigen, während Sidney den Männern half. Sie fegte den Boden und sammelte das Sägemehl und die Späne ein, um es später an die Papiermühle unten am Fluss zu verkaufen. Rinde und kleine Holzstücke konnte sie verwenden, um Feuer anzuzünden, und die größeren Holzreste verwahrte sie zum Verkauf an die Zimmerleute. Während die Baumstämme sich langsam auftürmten, schichteten Sidney und sie sie zu Stapeln für die jeweiligen Käufer auf. Die meisten hatten Pinienholz bestellt, aber es waren auch einige Aufträge für Eichen und Eschen dabei, und Matilda hatte den Unterschied bald gelernt.
Als sie eines Abends die Verschiffung des Holzes arrangierte und ihre eigene Überfahrt für den zwölften September buchte, kam ihr Zandra wieder in den Sinn. Seit ihrer Rückkehr nach Oregon war so viel geschehen, dass sie noch keine Zeit gehabt hatte, auch nur an die Frau zu denken, geschweige denn, ihr einen Brief zu schreiben. Ihr Besuch im Salon war das Einzige gewesen, was sie Cissy und Sidney in ihrer Erzählung vorenthalten hatte. Nach Johns Tod war es ihr unangemessen erschienen. Cissy sollte in einer so schwierigen Zeit nicht unnötig an ihre Vergangenheit erinnert werden. Dennoch hatte sie die Frau sehr gemocht, und Zandra hatte ihr damals angeboten, sich bei ihrem nächsten Besuch um eine Unterkunft zu kümmern. Vielleicht hatte sie sogar eine Idee, mit welcher Art Geschäft Cissy und sie ihre Kinder ernähren könnten.
Ihrer Freundin ging es jetzt besser. Sie hatte wieder zugenommen, und ihre frühere Energie war zurückgekehrt. Obwohl sie noch um John trauerte und manchmal unvermittelt in Tränen ausbrach, hatte sie schon öfter den Wunsch geäußert, irgendwo zu wohnen, wo es etwas bunter und lebendiger zuging.
Matilda wusste, dass am Freitag ein Schiff nach San Francisco fuhr, das die Post mitnahm, und deshalb setzte sie sich hin und schrieb einige Briefe. In den ersten informierte sie ihre Geschäftskunden über den Tag ihrer Ankunft und ihren Wunsch, am Kai bezahlt zu werden. Dann schrieb sie an Zandra.
In der ersten Septemberwoche kam Zandras Dienerin Dolores mit zwei Briefen aus dem Postamt zurück. Ihre Herrin fühlte sich niedergeschlagen, weil ihre beiden Knie schlimm geschwollen waren und es ihr unmöglich gewesen war, die Treppe hinunterzugehen, geschweige denn, die Post selbst abzuholen. Sie gönnte sich sonst oft das kleine Vergnügen, sich in die Schlange der Männer einzureihen, die auf Nachrichten von zu Hause warteten. Hier hörte sie gewöhnlich den spannendsten Klatsch und die interessantesten Neuigkeiten. Viele der Männer waren Analphabeten und baten sie oft, ihnen die Briefe vorzulesen. Es gab ihr die Chance, das pulsierende Leben der Stadt hautnah mitzuerleben.
Doch als Dolores ihr die Briefe übergab, vergaß sie ihre Schmerzen, den Rat des Arztes, das Alter würdevoll zu akzeptieren, und auch dass der Spiegel im Salon mal wieder nicht nach ihren Vorstellungen poliert worden war. Der erste Brief war von einem befreundeten Anwalt aus New Orleans, Charles Dubrette. Sie freute sich sehr, von ihm zu hören, doch mit noch größerer Begeisterung nahm sie Matildas Schreiben in die Hand. Es bewies, dass sie mit ihren Gefühlen für das Mädchen richtig
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