Lesley Pearse
Mexico. Aber erzähl mir doch von dir, Matty. Wie geht es Tabitha und Amelia? Lebst du jetzt hier?«
Nichts war jemals so schwierig für sie gewesen, wie ihm zu erklären, dass die Kinder noch in Oregon bei Cissy waren. Sie beobachtete, wie sein Gesicht sich verdüsterte. Er schien sogar ein Stück von ihr abzurücken.
»Und du hast hier eine Stelle angenommen?«, fragte er in entrüstetem Tonfall.
»Mir gehört dieses Lokal, Captain Russell«, entgegnete sie hochmütig. »Ich bin London Lil!«
»Wie kommt das? Warum?«, murmelte er. Er sah verwirrt aus. »Ich dachte, du wolltest Landwirtschaft betreiben?«
Matilda berichtete ihm alles so kurz und präzise wie möglich. »Ich bin nicht für die Landwirtschaft geschaffen«, bemerkte sie. »Ich wünschte, ich könnte die Mädchen herholen, aber dies ist kein sicherer Ort für Kinder. Sie sind glücklich bei Cissy, und das Geld, das ich ihnen sende, erlaubt ihnen ein sehr angenehmes Leben. Ich vermisse sie immerzu, doch ich fahre so oft wie möglich nach Hause.«
Er schwieg für einen Moment. Nachdenklich nippte er an dem Drink, den Mary gerade gebracht hatte. »Amelia muss jetzt vier sein und Tabitha zwölf«, erklärte er schließlich. Offenbar hatte er sehr genaue Erinnerungen an sie alle. »Ich habe mir vorgestellt, dass du in einem kleinen Häuschen mit ihnen wohnst, vielleicht verheiratet bist und noch ein Kind bekommen hast. Aber du warst ja immer für Überraschungen gut.«
»Erklär mir doch mal, warum Männer immer annehmen, Heiraten und Kinderkriegen seien die Antwort auf die Gebete jeder Frau«, verteidigte sie sich und schüttelte energisch den Kopf. Er vermittelte ihr das Gefühl, sich für die Frau entschuldigen zu müssen, die aus ihr geworden war, und das gefiel ihr nicht. »Wenn ich hierher gekommen wäre und herausgefunden hätte, dass du der Besitzer bist, hätte ich gesagt: ›Wie wunderbar, was bist du nur für ein kluger Mann!‹ Ich wäre niemals darauf gekommen, dass du vielleicht in Virginia sein könntest und Zuckerrohr schneidest. Ich bin hier, um meinen Kindern eine bessere Zukunft zu ermöglichen. Ich gebe vielen Menschen Arbeit. Ist das etwas Schlechtes?«
»Schnippisch wie immer«, er lächelte. »Genauso britisch und doppelt so schön wie zuvor! Ich muss zugeben, Matty, dass dir dein Abendkleid mehr schmeichelt als deine Witwentracht, die du während des Trecks getragen hast. Wenn ich meiner Bewunderung für dieses Haus nicht Ausdruck verleihen konnte, liegt das nur daran, dass ich wegen unseres Wiedersehens völlig außer mir bin.«
Matilda war beschwichtigt und entspannte sich ein wenig. Nachdem sie ihm von Johns Geschäften und seinem Tod berichtet hatte, fragte er sie sichtlich beeindruckt über die Holzgeschäfte aus. Er erzählte auch, man hoffe im Osten, bald eine Eisenbahnstrecke quer durch Amerika zu den Goldminen bauen zu können.
»Ich wünschte, man könnte die Menschen im Osten warnen, dass nur sehr wenige von ihnen Glück haben und ein Vermögen mit dem Gold machen werden. Ich habe mehr Leute gesehen, die ohne einen Penny in der Tasche die Stadt verlassen haben, als solche, die mit gefüllten Geldbörsen nach Hause reisten.«
»Die Verrückten, die irgendwelchen Träumen hinterherjagen, sind mir gleichgültig«, erklärte er. »Ich mache mir hauptsächlich um die Indianer Sorgen. Sie sind nicht besonders glücklich, dass jetzt so viele Menschen durch ihr Land reisen. Die Büffelherden, auf deren Fleisch sie angewiesen sind, sind schon dezimiert. Wenn wir Schienen durch ihre Jagdgründe legen und weitere Millionen von Leuten hierher bringen, werden sie sich erheben, und wir werden ein Blutbad sehen, das so fürchterlich sein wird, dass ich bei dem Gedanken daran schon erschaudere.«
Er hielt also immer noch an seinen Überzeugungen und seinem Respekt für die Indianer fest. Das freute Matilda. Den meisten Männern in der Stadt waren diese Menschen gleichgültig.
»Das wird es sicher sehr schwierig für dich machen, James«, gab sie mitfühlend zurück. »Denn ich vermute, dass du als Offizier sicher Männer gegen sie anführen müsstest, oder?«
Er nickte und sah beschämt aus. »Was bleibt mir anderes übrig? Ich muss meine Befehle ausführen. Aber es gefällt mir nicht, Matty. Ich habe gelernt, die Indianer zu respektieren. Vieles in ihrer Kultur ist unserer überlegen. Ich denke, es wäre möglich, dass weiße Siedler und Indianer in Eintracht nebeneinander leben könnten, wenn beide Seiten etwas
Weitere Kostenlose Bücher