Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lesley Pearse

Lesley Pearse

Titel: Lesley Pearse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wo das Gluck zu Hause ist
Vom Netzwerk:
sein, wenn du mir in den Himmel folgst.« Trotz ihrer schelmischen Worte konnte sie die Wahrheit nicht verbergen: Langsam lief auch Cissys Gesicht blau an, und ihre Augen sanken ein. »Darf ich dich bitten, Peter in deine Obhut zu nehmen?«, flüsterte sie.
    »Du brauchst mich nicht darum zu bitten. Natürlich werde ich mich um ihn kümmern«, antwortete Matilda und kämpfte mit den Tränen. »Ich sorge dafür, dass er das wird, was du dir für deinen Sohn erträumt hast.«
    »Erzähle ihm von mir, wenn er ein Mann ist«, bat sie mit rauer Stimme. »Sag ihm, wie sehr ich ihn geliebt habe.«
    »Was soll ich nur ohne dich tun, Cissy?«, fragte Matilda leise.
    Die Freundin blickte sie nur still an, während eine Träne ihre Wange herablief. »Geh und finde andere Mädchen, die du retten kannst, wie mich damals«, antwortete sie. »Ich werde dir dabei zusehen.«
    Matilda zündete ein Licht an, als es dunkler wurde, und beobachtete, wie Cissys Gesicht sich violett färbte. Ihre Hände sahen jetzt dunkel und aufgedunsen wie die einer Wäscherin aus. Sie öffnete die Augen noch ein letztes Mal und blickte Matilda an. »Das Traurigste ist, dass ich nie herausfinden werde, wie es mit Arnold gewesen wäre«, murmelte sie. »Sag ihm, dass ich ihn liebe und mir wünschte, wenigstens ein Mal mit ihm geschlafen zu haben.«
    Danach hörte Cissy auf zu atmen. Matilda schloss ihr die Augen, küsste sie auf die Stirn und bedeckte ihr Gesicht.
    »Ich liebe dich, Cissy Duncan«, sagte sie. »Geh geradewegs zu John mit einem Kind an jeder Hand. Sorge dich nicht um Peter, er wird von nun an mein Junge sein.«
    Sie küsste die Mädchen und bedeckte auch sie mit einem Laken. An beiden Seiten ihrer Betten zündete sie eine Kerze an, dann nahm sie eine Lampe in die Hand, entfernte den in Essig getränkten Vorhang und ging nach unten.
    Es hatte gerade elf Uhr geschlagen, und Peter lag mit Treacle eingerollt auf seiner Decke auf dem Küchenboden. Beide schliefen tief und fest. Sie nahm den letzten Kübel mit heißem Wasser mit nach draußen, zog sich aus und schrubbte sich von Kopf bis Fuß mit Seifenlauge ab, bis ihre Haut tiefrot war. Sobald die Körper der Toten abgeholt worden waren, musste sie ihre Kleider auskochen, die Matratzen und die Bettwäsche verbrennen und die Räume desinfizieren. Doch selbst dann würde es keine Sicherheit geben, ob die Krankheit an ihr und Peter vorübergegangen war. Sie wickelte sich eine Tischdecke um und ging nach oben, um ein sauberes Nachthemd zu suchen. Erst nachdem sie davon überzeugt war, alle Vorsichtsmaßnahmen ergriffen zu haben, ging sie zu Peter hinunter.
    Eine Weile saß sie nur neben ihm und sah dem Jungen beim Schlafen zu. Erst jetzt wurde ihr klar, wie er sich in den letzten beiden Tagen gefühlt haben musste, während er wie ein Gefangener mit Treacle hier eingeschlossen gewesen war, das Geräusch von Würgen und Stöhnen mit angehört hatte und Berge beschmutzter Wäsche auf dem Herd hatte kochen sehen. Er hatte sich wacker wie ein Mann geschlagen, hatte das Feuer in Gang gehalten, die Wäsche aufgehängt und ohne jede Klage für sich selbst gesorgt. Doch er war erst elf Jahre alt, immer noch ein Kind, und jetzt musste sie ihn wecken, um ihm zu erklären, dass seine Mutter und Schwestern tot waren.
    Es schien ihr noch nicht lange zurückzuliegen, dass John gestorben war und sie Peter getröstet hatte. Sie erinnerte sich, wie er damals immer draußen im Eingang gestanden und vergeblich gehofft hatte, alles wäre ein Irrtum und John käme nach Hause geritten.
    Wie sollte sie ihn beruhigen können, wenn sie der Tod ihres eigenen Kindes so sehr schmerzte? Wie konnte sie ihn damit trösten, dass ihr Leben bald wieder glücklicher sein würde, wenn sie sich selbst den Tod wünschte, weil ihr das Herz aus dem Leibe gerissen worden war? »Peter«, sagte sie sanft. »Peter, wach auf!«
    Er setzte sich aufrecht hin und rieb sich die Augen. »Geht es ihnen wieder besser?«, fragte er im Flüsterton.
    Matilda schüttelte den Kopf. »Nein, Peter, sie sind vor einer kurzen Zeit gestorben. Es tut mir so Leid.«
    Sie hatte sich geschworen, ihn nicht zu berühren, um ihn vor Ansteckung zu schützen. Aber sie konnte nicht anders, sie musste einfach zu ihm gehen, als sein Gesicht sich verzerrte.
    »Deine Mama hat mich gebeten, dir zu erzählen, wie sehr sie dich liebt und dass du jetzt mein Junge sein musst«, meinte sie, drückte ihn fest an ihre Brust und versuchte verzweifelt, nicht zu weinen. »Sie ist so

Weitere Kostenlose Bücher