Lesley Pearse
keinerlei Behandlungsmethoden.
»Es tut mir so Leid, Mrs. Jennings!«, versicherte er und blickte sie sanft und mitfühlend an. »Haben Sie irgendwelche Symptome?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, und Peter bislang auch nicht. Wir sind hier geblieben, als Mr. Bigglesworth und Mrs. Duncan ein paar Freunde besucht haben. Vielleicht haben sie die Krankheit dort bekommen? Wissen Sie, ob Mr. Bigglesworth auch erkrankt ist?«
»Nein, aber ich werde ihn besuchen. Sie müssen Peter vom Krankenzimmer fern halten«, mahnte er und tupfte sich sein verschwitztes Gesicht mit einem Taschentuch ab. »Ich rate Ihnen, Mrs. Duncans Bett zu den Kindern zu stellen. Tränken Sie ein Tuch in Essig und hängen Sie es über die Tür. Sie müssen auf sich Acht geben, Mrs. Jennings. Waschen Sie sich die Hände, nachdem Sie die Patienten berührt haben. Beschmutzte Bettwäsche muss ausgekocht und die Nachttöpfe müssen immer wieder ausgeschrubbt werden. Bis klar ist, dass Sie und Peter sich nicht angesteckt haben, dürfen Sie das Haus nicht verlassen. Wenn ich gehe, werde ich ein Zeichen an der Tür anbringen, das Besucher fern halten wird. Auch Tabitha darf nicht herkommen. Ich werde die Glovers aufsuchen und es ihnen erklären.«
Matilda blickte zu dem hoch gewachsenen Deutschen auf, dem die gesamte Stadt den größten Respekt zollte, und sah die Sorge in seinen Augen. Wahrscheinlich irrte er sich nicht, das war ihr klar. Am liebsten hätte sie ihre Wut über diese Ungerechtigkeit laut herausgeschrien, aber sie kontrollierte ihre Gefühle. »Was kann ich tun, um sie zu retten?«, fragte sie leise.
»Halten Sie sie warm, und geben Sie ihnen viel zu trinken, Brandy kann hilfreich sein. Ich lasse ihnen eine Flasche davon und Laudanum hier. Gleich morgen Früh werde ich Sie wieder besuchen.«
»Komm zu mir, Matty«, rief Cissy, als der Arzt gegangen war.
Matilda ging zögerlich nach oben, weil sie befürchtete, ihre Freundin könnte die Wahrheit in ihren Augen lesen. Cissy sah so klein aus in dem Bett, das John damals so liebevoll angefertigt hatte. Ihre Hände hielten den Quilt fest umschlossen, und aus ihrem Gesicht war jede Farbe gewichen.
»Ich weiß, was es ist«, flüsterte sie. Ihre grünen Augen waren voller Angst. »Ich habe es auf dem Treck gesehen. Ich könnte Arnold umbringen, dass er uns dorthin gebracht hat, aber er konnte ja sicher nicht wissen, dass wir uns dort damit infizieren würden.«
»Natürlich konnte er das nicht, und außerdem wird es euch bald besser gehen«, erwiderte Matilda, rückte näher an ihre Freundin heran und nahm ihre Hand. »Ich werde mich um euch kümmern.«
»Wenn du nur einen Funken Verstand hast, verschwindest du auf der Stelle«, erklärte Cissy streng. »Ich habe noch von niemandem gehört, der die Cholera überlebt hätte. Das einzig Gute daran ist, dass es normalerweise ein schneller Tod ist.«
»Ich will jetzt nichts vom Sterben hören«, erklärte Matilda scharf. »Ich werde es nicht dulden. Und fortgehen werde ich auch nicht. Wir können es bekämpfen, Cissy!«
Sie zog Tabithas schmales Bett in das Zimmer und stellte es für Cissy zwischen die Betten der Mädchen. Eine Stunde später erbrach sich Susanna, genau wie Amelia zuvor, und beide Kinder schrien vor Schmerz.
Matilda bemerkte kaum, wie die Sonne am nächsten Morgen aufging, denn zu dieser Zeit musste sich auch Cissy übergeben. Zwischen Schmerzensschreien verlangten die drei nach Wasser. Doch so schnell Matilda ihnen die mit Brandy und Laudanum versetzte Flüssigkeit einflößen konnte, so wenig konnten sie sie bei sich behalten. Sie schnitt Laken und Kopfkissenbezüge entzwei, um sie als Windeln zu benutzen, aber sobald sie den Kranken eine saubere umgelegt hatte, war sie wieder von dieser seltsamen weißen flüssigen Ausscheidung durchtränkt, die wie Reiswasser aussah.
Bei Anbruch des neuen Tages rannte sie hinunter, um die Nachttöpfe auszuwaschen und die Tücher auf dem Herd auszukochen. Matilda befahl Peter, nichts anzufassen und das Feuer in Gang zu halten. Sie wusste nicht, was schlimmer war: der Schrecken in seinen Augen oder die Resignation im Blick der Kranken.
Dr. Shrieber besuchte sie später am Morgen. Wie er erzählte, war auch Arnold erkrankt. Der Doktor hatte ihn in die Isolation eines Nebengebäudes des Hauses gebracht, in dem er wohnte. Matilda fragte nicht, ob jemand sich um ihn kümmerte, denn sie wusste nur allzu gut, dass sich außer Dr. Shrieber keiner an den Kranken heranwagen würde. Es war ein
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