Lesley Pearse
gesehen, bei der einige unserer Männer gekämpft haben?«
Peter nickte.
»Sie heißt ›Shiloh‹. Es ist Hebräisch und bedeutet ›Ort des Friedens‹. Lassen Sie uns hoffen, dass all die Menschen, die wir beerdigen, diesen Frieden hier finden werden.«
25. K APITEL
W asser«, krächzte Private Newton, als Matilda an seinem Bett vorbeilief.
»Natürlich«, sagte sie und ging zu ihm hinüber. Der junge Soldat hatte eine sehr schwere Kopfverletzung, und als sie ihre Hand sanft unter seinen Nacken gleiten ließ, um ihn zum Trinken aufzurichten, bemerkte sie, dass der Verband schon wieder blutdurchtränkt war.
»Langsam«, warnte sie ihn, als er das Wasser herunterstürzte. »Nicht zu viel auf einmal.«
Er war nicht älter als siebzehn Jahre, aber viele junge Männer hatten ein falsches Alter angegeben, um sich melden zu können. Er war ein hübscher Junge mit sanften braunen Augen, die von vollen, dunklen Wimpern umrahmt wurden. Das wenige Haar, das sich unter seinem Verband zeigte, war blond gelockt. Doch sein Gesicht wies bereits diese tödliche Blässe auf, die Matilda verriet, dass er diesen Tag nicht überleben würde.
»Soll ich Ihrer Mutter ein paar Zeilen schreiben?«, fragte sie ihn. »Ich habe einen Moment Zeit, wenn Sie mir erzählen möchten, was Sie ihr sagen wollen.«
Auf seinem Gesicht zeigte sich Dankbarkeit, aber auch Angst, weil er wusste, dass er sterben würde, bevor der Brief seine Heimat erreichte.
»Schreiben Sie ihr einfach, ich habe mein Bestes getan«, erwiderte er schwach. »Und dass meine Brüder nun meinen Platz einnehmen und gut zu ihr sein sollen.«
Matilda nahm ein Blatt Papier und einen Stift aus ihrer Schürze hervor und schrieb eilig seine Worte nieder. Später würde sie noch eine eigene Notiz hinzufügen und seiner Mutter mitteilen, was für ein guter Soldat er gewesen und wie tapfer er gestorben war. Immer wenn sie für jemanden einen solchen Brief schrieb, betete sie darum, dass eine andere Schwester James, Peter oder Sidney den gleichen Dienst erweisen und ihre letzten Worte aufschreiben würden, wenn sie in einem Krankenhausbett lagen.
»Soll ich ihr sagen, dass Sie sie lieben?«, hakte sie leise nach und drückte die Hand, die nach ihrer gesucht hatte.
»Ja«, flüsterte er zurück, und eine Träne lief seine Wange herab. »Schreiben Sie ihr, ich hätte keine Schmerzen. Ich möchte nicht, dass sie sich zu viele Sorgen macht.«
Matilda konnte die Anzahl der Männer, die ihren Familien zu Hause diese galante Lüge hatten ausrichten lassen, schon nicht mehr zählen. Der Krieg mit all seiner Zerstörung und Grausamkeit war schrecklich, aber dennoch brachte er oft die edelsten und mutigsten Gefühle ans Tageslicht.
Matilda hätte nie in Erwägung gezogen, Krankenschwester zu werden, wenn Tabitha nicht gewesen wäre. Sie war im vergangenen November, vor sieben Monaten, hier im Lodge Hospital in Washington angekommen.
In London Lil’s war es mit Ausbruch des Krieges sehr ruhig geworden, denn die jungen Männer waren auf und davon gelaufen, um sich freiwillig zu melden. Außerdem war es immer schwieriger geworden, gute Künstler zu finden, weil sie alle in die geschäftigeren Städte im Osten des Landes gezogen waren. Matilda hatte sich mit ihrem Büro und den Mädchen in der Folsom Street beschäftigt, aber nach der Schlacht von Shiloh war James zum Brigadier und Peter zum Corporal befördert worden, und sie wusste, dass nichts außer einer wirklich ernsthaften Verletzung sie vor Ende des Krieges nach Hause bringen würde.
Dann flatterte das Einberufungsschreiben ins Haus, und Sidney, Albert sowie ihre anderen Barmänner mussten gehen, sodass Matilda das London Lil’s vorübergehend schloss. Sidneys und Marys Baby, Elizabeth Rose, war zu diesem Zeitpunkt ein Jahr alt, und Mary erwartete ein zweites Kind. Matilda überzeugte sie, mit in ihr Apartment zu ziehen, um ihr Gesellschaft leisten zu können und die Ausgaben gering zu halten.
Doch Matilda war nervös. Ihr wurden die Tage lang, und die Abende ohne die Unterhaltung in London Lil’s erschienen ihr endlos. Sie fühlte sich vom Rest des Landes abgetrennt, denn der Krieg berührte San Francisco kaum. Es drängte sie, etwas Nützliches und Interessantes zu tun, aber sie wusste nicht, was.
Dann kam völlig unerwartet Tabithas Brief, in dem sie Matilda bat, mit ihr als Krankenschwester in Washington zu arbeiten. Matildas erste Reaktion war Entsetzen, denn sie war überzeugt, einer solchen Arbeit nicht gewachsen
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