Lesley Pearse
schreiben konnte. Seine Hände zitterten derartig, dass er kaum den Stift halten konnte. Er schenkte James ein zögerliches Lächeln und beugte den Kopf schnell wieder über den Brief, als befürchtete er, James könnte die Angst in seinen Augen sehen und ihn verachten.
James verachtete sich in diesem Moment selbst und wünschte, er hätte dem Jungen niemals Geschichten von Tapferkeit in der Schlacht erzählt. Vielleicht wäre Peter dann jetzt sicher an einer Universität und bereitete sich auf eine Karriere vor, die das Leben zum Ziel hatte und nicht den Tod. Außerhalb des Camps lagen Verwundete zwischen den Toten und schrien nach Hilfe, aber es gab keinen Ort, an den sie zur Versorgung hätten gebracht werden können, oder eine Möglichkeit, sie auf dem Feld zu verarzten. Er hatte sich niemals so hilflos gefühlt.
Später begann es zu regnen, und die Verwundeten, die vorher nach Wasser geschrien hatten, verstummten schließlich.
»Scheinbar hat Gott ihr Flehen erhört«, rief einer im Camp aus, und ein Ausbruch peinlich berührten Lachens folgte. Als später die Blitze das Schlachtfeld erhellten, sah James zwei Geier, die sich an den Toten nährten.
Er legte sich unter einen Baum, um ein paar Stunden Schlaf zu finden, und hielt sich die Ohren zu, um die Schreie der Verwundeten auszusperren. James stellte sich vor, wie er mit Matilda am Strand von Santa Cruz entlanggeritten und das einzige Geräusch das Rauschen des Meeres gewesen war. Später meinte er, das Tönen eines Waldhorns in der Ferne zu hören, aber er sagte sich, dass seine Fantasie ihm einen Streich spielen musste.
Doch das Waldhorn war keine Einbildung gewesen. Es war Buells Armee aus Ohio, die mit einer Verstärkung von fünfundzwanzigtausend Mann eintraf.
»Wir haben sie doch noch fertig gemacht, Sir«, meinte Peter am folgenden Abend und grinste zu James hoch.
Gemeinsam mit den neuen Truppen hatten sie die Rebellen im Morgengrauen angegriffen, und nachdem die feindlichen Truppen zwei Mal zurückgefallen waren, nur um wieder einen Vorstoß zu wagen, war es am späten Nachmittag schließlich gelungen, die Rebellen nach Corinth zurückzutreiben.
James sah von seinem Pferd zu Peter hinab und lächelte. Er wäre am liebsten abgesprungen, um den Jungen in die Arme zu schließen. Sein Gesicht war schwarz vom Schießpulver, und seine Augen leuchteten vor Siegesbegeisterung. Peters Hut wies einen Einschuss auf, und er war bis zur Hüfte voller Schlamm. Immer wieder hatte James ihn heute mutig allein stehen und unermüdlich schießen sehen, ohne an seine eigene Sicherheit zu denken. Ein Mal hatte er beobachtet, wie er rückwärts gelaufen war und einen verwundeten Kameraden aus der Schusslinie gezogen hatte, wobei er beim Gehen weitergefeuert hatte. Er hatte heute bewiesen, dass er ein ganzer Mann war, aber in James’ Augen war er noch immer das Kind, das Matilda liebte. Obwohl Soldaten untereinander sich umarmen durften, musste er als Captain im Beisein der anderen Männer jedoch Abstand wahren.
»Ja, wir haben sie fertig gemacht«, stimmte James zu. »Und Sie haben gut und tapfer gekämpft, Private Duncan. Ich bin sehr stolz, Sie unter meinem Kommando zu haben.«
»Was werden wir jetzt tun, Sir?«, fragte Peter und streichelte James’ Pferd. »Folgen wir ihnen?«
James seufzte. Peter war ein wahrer Soldat, denn er wollte jetzt nicht aufgeben. Früher war er genauso gewesen, aber inzwischen hatte er sich geändert. »Wir haben die schlimmste Aufgabe noch vor uns«, erklärte er sanft. »Die Toten müssen beerdigt werden, und zwar nicht nur unsere eigenen, sondern auch die des Gegners.«
Der Boden war förmlich mit Leichen bedeckt. Außerdem stand ihnen noch die fürchterliche Arbeit bevor, die Taschen der Toten nach Wertgegenständen und Briefen zu durchsuchen, die zu ihren Angehörigen nach Hause geschickt werden mussten. Erst dann konnten sie die Toten beerdigen.
Peter seufzte, und James wusste, warum. Er wollte weiterkämpfen. Für einen Moment war er versucht, ihn daran zu erinnern, dass er sich für Matty in Sicherheit halten sollte, denn noch eine Tragödie würde sie in ihrem Leben sicher nicht ertragen. Aber genauso wenig wie er den Jungen umarmen konnte, durften sie offen über die Bande sprechen, die Peters und sein eigenes Leben miteinander verknüpften.
»Sie werden es die ›Schlacht von Shiloh‹ nennen«, bemerkte er stattdessen und rückte die Kappe des Jungen liebevoll zurecht. »Haben Sie die kleine getünchte Kirche
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