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Lesley Pearse

Lesley Pearse

Titel: Lesley Pearse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wo das Gluck zu Hause ist
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Fähigkeiten.
    »Das wäre grandios«, gab er mit funkelnden Augen zurück. »Aber es ist Zeit zu gehen, du hast einen weiten Weg, und ich muss zum Fluss zurück.«
    Er begleitete sie noch ein Stück. Sie sah so hübsch aus, dass er sie nicht gern allein durch die Straßen gehen lassen wollte. Matilda küsste ihn zum Abschied und umarmte ihn für einen Moment. Sie sog den vertrauten Geruch ein, mit dem sie aufgewachsen war. Es war zwar sehr schön, im Pfarrhaus zu leben und eine Stufe der gesellschaftlichen Leiter nach oben geklettert zu sein, doch würde ihr Vater sie fragen, ob sie wieder bei ihm leben wollte, könnte sie es ihm niemals abschlagen.
    »Jetzt geh nach Hause, Matty, und polier dein Silber. Wer weiß, vielleicht wirst du eines Tages selber welches besitzen.«
    Es war in einer heißen Augustnacht, fünf Monate nachdem Matilda ihre Arbeit im Pfarrhaus aufgenommen hatte, als sie Lilys entsetzten Schrei hörte. Giles war den ganzen Abend aus gewesen, sodass Lily und Matilda allein das Nachtgebet um halb zehn gesprochen hatten. Matilda war danach ins Bett gegangen und hatte Lily lesend im Wohnzimmer zurückgelassen.
    Sie dachte, ein Einbrecher müsse im Haus sein und ihre Dienstherrin bedrohen. Matilda sprang aus dem Bett und rannte zum Treppengeländer. Aber als sie Giles’ tiefe Stimme hörte, blieb sie zögernd auf der obersten Stufe stehen und war geschockt, dass die beiden sich genauso lauthals streiten konnten wie ihre Nachbarn im Finders Court.
    Im ganzen Haus war es heiß und stickig. Obwohl alle Fenster im oberen Stockwerk weit geöffnet waren, kam keine frische Brise herein, nur der Gestank aus dem Abflusssystem. Es war fast wie früher im Finders Court, abgesehen davon, dass es draußen völlig still war. Seit vier Wochen hatte es nicht mehr geregnet, und jeden Tag war es heißer geworden. Sie hatten die Milch abkochen müssen, damit sie nicht schlecht wurde. Die Butter zerfloss zu Öl, und Lily misstraute Fisch und Fleisch, sodass sie in der vergangenen Woche nichts außer Gemüse und Eiern gegessen hatten. Nicht, dass irgendjemand viel essen konnte. Tabitha war kränklich und lustlos, Lily sah die meiste Zeit aus, als würde sie bald in Ohnmacht fallen, und selbst Aggie, die sich selten beschwerte, meinte, sie könne die Hitze in der Küche nicht länger ertragen.
    Als Gerüchte über eine Choleraepidemie im nahen Slumviertel Seven Dials in der Nachbarschaft aufgekommen waren, hatten viele der Leute ihre Sachen zusammengepackt und waren zu Freunden und Verwandten aufs Land gefahren. Lily hatte Giles angefleht, sie und Tabitha zu ihrem Onkel nach Bath zu schicken. Er aber meinte, es sei ihre Pflicht, hier zu bleiben.
    Zuerst dachte Matilda, dass dies der Grund ihres Streites wäre, denn sie hörte Lily rufen:
    »Du bist so egoistisch, Giles. Hast du jemals bedacht, was Tabby passieren könnte?«
    »Was sollte ihr dort zustoßen, wovor sie hier geschützt wäre?«, erwiderte Giles.
    Matilda wunderte sich über Lilys Antwort.
    »Es gibt Wilde dort. Sie skalpieren die Menschen, und denk an die vielen Strafgefangenen und Fremden.«
    Sie konnten also nicht über Bath sprechen, denn Matilda hatte bislang immer nur erzählt bekommen, dass dies ein ruhiger und sehr eleganter Ort war. Sie beugte sich gespannt über das Treppengeländer und lauschte.
    »In New York gibt es keine Wilden«, entgegnete Giles mit angespannter Stimme. »Und man hat schon vor Jahren aufgehört, Gefangene dorthin zu transportieren. Was die Fremden angeht – auch London ist voll von ihnen.«
    »Aber ich könnte es nicht ertragen«, rief Lily. »Bist du wirklich so grausam, dass du deiner Frau und deinem Kind alle Annehmlichkeiten nehmen und uns zwingen möchtest, deinen Launen zu folgen?«
    »Darf ich dich daran erinnern, Lily, dass ich ein Diener Gottes bin?«, bemerkte er eiskalt. »Wenn es Gottes Wille ist, dass ich sein Wort nach Amerika trage, ist es sicher keine Laune, sondern meine heilige Pflicht zu gehen. Wenn du das als grausam empfindest, weil du lieber in der Bequemlichkeit von St. Marks leben möchtest, kann ich nur sagen, Lily, dass du vielleicht keine geeignete Gattin für einen Geistlichen bist.«
    Matilda traute ihren Ohren nicht. Bislang hatte sie Giles nur voller Zuneigung mit seiner Frau sprechen hören. Abgesehen davon fragte sie sich, was mit ihr selbst geschehen würde, sollten die Milsons nach Amerika gehen. Matilda ging zurück auf ihr Zimmer und legte sich ins Bett. Panik überkam sie, als sie in der

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