Lesley Pearse
Lucas seiner Tochter schließlich, dass er bald bei Dolly wohnen würde und in Zukunft an diesem Stück des Flusses arbeiten wollte. Unter Arbeitern war es zwar durchaus verbreitet, ohne Segnung der Kirche zusammenzuleben, aber Matilda war dennoch überrascht und sogar ein wenig schockiert, dass eine respektable Witwe wie Dolly diese Art des Zusammenlebens akzeptierte. Matilda hoffte inständig, dass sie sich nicht als zweite Peggy erwies. Doch ihr Vater wirkte so glücklich, dass sie ihre Bedenken nicht äußerte. Außerdem war sie sehr erleichtert, dass er eine Frau gefunden hatte, die er liebte, und den Finders Court endlich verlassen konnte.
»Sag schon, ist sie nicht eine feine Frau?«, fragte ihr Vater, als sie den Landesteg ansteuerten. Seine raue Stimme war voller Zuneigung. »Ich nenne sie ›mein Pausbäckchen‹.«
Matilda betrachtete die wartende Frau. Sein Kosename war durchaus zutreffend. Dolly war eine kleine, rundliche Person mit einem freundlichen, faltenlosen Gesicht und einem strahlenden Lächeln. Obwohl ihr Haar bereits ergraut war und Matilda wusste, dass sie so alt wie ihr Vater war, bemerkte sie an Dolly eine jugendliche Fröhlichkeit, die nicht einmal von ihren übergroßen Männerstiefeln und dem langen Mantel verdeckt wurde.
Sobald das Boot vertäut war, begleitete Dolly die beiden schnell zum Haus und zeigte sich besorgt darüber, wie verfroren sie aussahen. Dolly schob Matilda in eine geräumige, warme Küche, die wunderbar nach frischer Pastete duftete. Alles in diesem Raum war hell, sauber und sehr gemütlich. Eindeutig war sie keine zweite Peggy.
»Setzt euch erst einmal hin«, befahl Dolly, während sie Matildas Umhang nahm und auf einen Stuhl beim Ofen deutete. »Und du solltest bei diesem Wetter wirklich etwas Wärmeres tragen. Ich habe oben einen Mantel, der dir passen müsste. Wenn wir eine Tasse Tee getrunken und uns unterhalten haben, werde ich ihn für dich holen. Meine Güte, ich habe noch nicht einmal gesagt, wie sehr ich mich freue, dich zu treffen, oder dir ein frohes neues Jahr gewünscht!«
Matilda lächelte, als die Frau ihr einen herzlichen Schmatzer auf die Wange drückte. »Ich freue mich auch, Sie zu treffen«, erwiderte sie. »Und ich glaube, wir alle werden ein glückliches neues Jahr erleben.«
Dolly kümmerte sich um Lucas’ Mantel und Stiefel, beschwerte sich, wie matschig der Garten sei, und berichtete, wie sehnlich sie sich auf den Frühling freue. Sie trug ein schlichtes blaues Kleid mit einem kleinen Spitzenkragen, aber der Stoff und der Schnitt des Kleides hätten auch einer der wohlhabenderen Damen von St. Marks alle Ehre gemacht.
Lucas schob den Eichenstuhl zurecht, den er aus dem Finders Court mitgebracht hatte, und setzte sich neben seine Tochter. »Ich habe Dolly gesagt, dass der Stuhl meine Mitgift ist«, spaßte er. »Er passt gut in dieses Haus, nicht wahr?«
»Als wäre er hierfür gemacht«, stimmte Matilda zu.
»Lucas ist auch wie für dieses Haus und mich gemacht«, meinte Dolly, während sie eine riesige Kanne Tee zubereitete. Sie hatte dunkelbraune Augen, die lustig funkelten, wenn sie lachte. »Der Himmel weiß, wie ich früher ohne ihn zurechtgekommen bin. Er ist ein wahres Wunder, er kann alles reparieren. Und ich möchte dir sagen, dass du dieses Haus ebenfalls als dein Heim betrachten sollst, Matty. Lucas und ich sind vielleicht nicht verheiratet, doch er ist der Mann meines Herzens, und seine Kinder sind auch die meinen.«
»Wir werden aber bald heiraten«, erklärte Lucas, nahm die Hand seiner Tochter und drückte sie freudig. »Wir dachten an einen Tag im Frühling, wenn wieder alles blüht. Was hältst du davon?«
»Was ich davon halte? Das sind die besten Nachrichten, die ich seit langem gehört habe«, antwortete Matilda. Sie hoffte inständig, dass sie nicht weinen musste. Sie mochte Dolly erst seit zehn Minuten kennen, aber die Wärme im Miteinander der beiden, Dollys freundliche Worte über Lucas’ Kinder und die Sicherheit, die er durch eine Hochzeit mit ihr erlangen würde, reichten vollkommen aus, um jeden Zweifel auszulöschen. »Ich hoffe nur, ihr werdet heiraten, bevor ich London verlasse. Wisst ihr, die Milsons haben mich gefragt, ob ich mit ihnen nach Amerika gehen möchte.«
Als sie jegliche Farbe aus dem Gesicht ihres Vaters schwinden sah, wünschte sie, sie wäre mit ihrer Neuigkeit nicht so herausgeplatzt. Wegen des Verschwindens seiner beiden Söhne hatte Matilda ihm noch nichts von den Plänen der
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