Lesley Pearse
Schiff und schienen sie begrüßen zu wollen.
»Wo ist unser Haus?«, erkundigte sich Tabitha. Wie Matilda war sie nicht seekrank gewesen. Sie hatte viel Zeit an Deck verbracht, und ihr Gesicht war braun gebrannt.
»Ich weiß es nicht«, antwortete Matilda. »Sollen wir deinen Papa fragen?« Sie ging auf die Milsons zu, doch bevor sie Tabitha erlaubte, ihre Frage nach dem neuen Haus zu stellen, fragte sie ihre Herrin, wie sie sich fühlte.
»Ein wenig besser«, schniefte Lily mit geröteten Augen. »Aber ich werde wohl erst wieder ich selbst sein, wenn ich festen Boden unter den Füßen habe. Ich glaube nicht, dass ich jemals wieder ein Schiff betreten möchte. Ich kann nicht einmal mein eigenes Kind in den Armen halten.«
»Das brauchst du gar nicht, Mama«, meinte Tabitha und wand sich in Matildas Armen, um heruntergelassen zu werden. »Ich bin schon ein großes Mädchen. Captain Oates hat gesagt, ich könnte sein erster Offizier werden.«
Tabithas Vater und Matilda lachten. Das Kind hatte während der Reise die Herzen der gesamten Crew erobert. Für Tabitha war die Überfahrt ein reines Vergnügen gewesen – sie hatte es genossen, in einem Etagenbett zu schlafen, die Mahlzeiten einzunehmen, während sich das Schiff auf und ab bewegte, die steilen Kajütentreppen hochzuklettern und Wale und Tümmler im Wasser zu beobachten.
Matilda hätte die Reise als ebenso aufregend empfunden, wenn sie nicht gezwungen gewesen wäre, viele Stunden mit ihrer kranken Herrin in der Kabine eingesperrt zu verbringen. Ihr Mitleid war beinahe überstrapaziert worden, weil sie spürte, dass Lily nichts unternahm, um sich selbst zu helfen, und stattdessen in Selbstmitleid versank. Aber glücklicherweise lagen diese Prüfungen jetzt hinter ihr, und sie wollte sie gern vergessen.
»Tabitha möchte wissen, wo unser Haus ist«, begann sie.
»Ich weiß es selbst nicht genau«, gestand Giles und lächelte seine Tochter an, während er seine Frau festhielt. »Aber komm mal herüber. Ich zeige dir, welche Gebäude in der Stadt ich schon kenne.« Tabitha kletterte auf einen Haufen Taue neben ihrem Vater.
»Siehst du diese Kirche?«, fragte er und zeigte auf einen großen Turm, der alle anderen Gebäude überragte. »Das muss die Trinity Church sein, denn man hat mir erzählt, dass die Seemänner sie als Navigationshilfe benutzen. Unser Haus befindet sich ganz in der Nähe der Kirche.«
»Es liegt aber ganz schön nah am Hafen«, entgegnete Lily mit zittriger Stimme. Matilda musste sich umdrehen, damit Lily ihr Lächeln nicht sah. Ihre Herrin war eine Expertin in Pessimismus.
»Natürlich ist es das«, meinte Giles in einem aufmunternden Tonfall. »Die Kirche ist 1698 errichtet worden, und zu dieser Zeit war der Hafen das Siedlungszentrum. Dass New York mit der Zeit so groß geworden ist, liegt daran, dass der Hafen so sicher ist.«
»Ich hoffe sehr, dass wir uns nicht mit betrunkenen Seemännern und anderen Unannehmlichkeiten plagen müssen«, bemerkte Lily besorgt. »Als junges Mädchen in Bristol fand ich das sehr beunruhigend, und sicher wird auch Tabitha Angst vor ihnen haben.«
»Habe ich nicht, Mama«, mischte sich Tabitha ein. »Ich mag Seemänner.«
»Weißt du, wer uns abholen wird?«, fragte Lily ihren Mann, als sie auf den Kai traten.
Matilda wurde mit so vielen neuen Eindrücken konfrontiert, dass sie nicht wusste, ob sie zuerst nach links oder nach rechts schauen sollte. Der Geruch erinnerte sie an die Häfen von London und Bristol, er war durch die Hitze jedoch noch vielfach verstärkt. Besonders der Fischgeruch war überwältigend.
»Reverend Kirkbright wusste noch nicht, ob er persönlich kommen könnte. Aber er versicherte mir in seinem Brief, dass man uns abholen und zu unserem Haus bringen wird«, antwortete Giles, während er Ausschau hielt. »Ich vermute, man wird uns jeden Moment ansprechen.«
Fünf oder zehn Minuten vergingen, lange genug für die Crew, um ihr Gepäck auszuladen und neben sie zu stellen. Lily setzte sich auf den Schrankkoffer, öffnete ihren Sonnenschirm und zog Tabitha in den Schatten. Matilda wurde langsam unruhig, nicht etwa, weil sie sich in irgendeiner Weise bedroht fühlte, sondern weil sie an Lilys Gesicht erkennen konnte, dass sie kurz vor einem Wutanfall stand. Die meisten Passagiere wurden gerade von ihren Verwandten freudig begrüßt und abgeholt. Ihre Koffer hatte man schon auf verschiedene Kutschen geladen.
Matilda glaubte, dass Lily auch wegen einer Gruppe Schwarzer
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