Lesley Pearse
Tabitha war fest im Schoß ihrer Mutter eingeschlafen, und Giles hielt Lily im Arm. Beide Erwachsenen sahen vollkommen niedergeschlagen aus. Erschrocken drehte sie sich um und begann, nach Teetassen und Löffeln zu suchen. Als sie das Tablett vorbereitete, ging ihr auf, was Giles eigentlich gemeint hatte, als er gesagt hatte, das Haus sei kleiner, als er erwartet hatte. Er würde kein Studierzimmer haben, und die Küche musste gleichzeitig als Ess- und Wohnzimmer dienen. Hier wäre gar kein Platz für eine zweite Bedienstete. Sie würde mehr stören als hilfreich sein. Matilda störte es nicht, neben ihrer Arbeit als Kindermädchen auch noch Haushälterin zu sein, doch sie wusste, dass Lily dies als Rückschritt ihrer gesellschaftlichen Stellung betrachten würde.
Als sie ins Wohnzimmer zurückging, fragte sie Giles nach den Schlüsseln für den Schrankkoffer. »Ich werde die Wäsche auspacken und die Betten beziehen, während ich auf das heiße Wasser warte«, bemerkte sie. »Soll ich Tabitha im Zimmer neben Ihrem oder neben meinem schlafen lassen?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete Giles müde. Seine Augen waren dunkel umrandet und schauten sie gedankenverloren an. »Mach, was du für richtig hältst.«
»Wie geht es Mrs. Milson?«, fragte Giles Matilda, als sie später am Abend die Treppe herunterkam, nachdem sie Tabitha und Lily zu Bett begleitet hatte.
»Sie schläft jetzt«, gab Matilda zurück und zwang sich, ihr gewohntes Lächeln aufzusetzen. »Die Betten sind bequemer als auf dem Schiff, und ich glaube, dass es ihr am Morgen sehr viel besser gehen wird, wenn sie erst einmal ausgeschlafen hat.«
Nach der ersten Tasse Tee war Lily aus ihrer Trance erwacht, hatte sich im Haus umgeschaut und war in die Küche gekommen, um das Abendessen vorzubereiten. Sie war bereits durch ihre Seekrankheit geschwächt und enttäuscht, dass sie bei ihrer Ankunft nicht begrüßt worden waren. Doch als sie sah, dass man ihnen nur ein hartes Brot bereitgestellt hatte und die Butter zu Öl geschmolzen war, war sie völlig verzweifelt.
Matilda hätte nie erwartet, dass sie frühere Fertigkeiten aus dem Finders Court noch einmal anwenden würde, aber da sie nur hartes Brot und Eier zur Verfügung hatte, schlug sie schnell die Eier in die Pfanne, schnitt das Brot in dicke Stücke, warf es in die Pfanne und ließ es goldbraun braten.
Obwohl Tabitha sehr müde war, aß sie gierig zwei Stücke. Giles aß drei und fand sie köstlich. Lily nahm nur eines zu sich, doch ihre Stimmung verbesserte sich wenigstens so weit, dass sie Matilda wissen ließ, wie gut sie ihre Idee fand und dass sie nun wenigstens ein ordentliches Frühstück haben würden. Aber dann, als Matilda gerade glaubte, Lily sei über den Berg, ging sie in die Spülküche, sah zwei große Wanzen und wurde hysterisch.
»Ich hoffe inständig, dass es ihr morgen besser geht, Matty«, entgegnete Giles nun mit traurigen Augen. »Ich fühle mich so schuldig. Glaubst du auch, dass es uns hier schlecht ergehen wird?«
Es war das erste Mal, dass sie eine schwache Seite an Giles entdeckte. Er hatte immer für die wichtigen Dinge die Verantwortung übernommen. Seine Arbeit in der Gemeinde und seine Rolle als Ehemann und Vater hatte er stets mit der Zuversicht eines Mannes wahrgenommen, der alles zu wissen schien. Auf dem Schiff war immer er es gewesen, der sie alle in angespannten Momenten zum Lachen gebracht hatte. Seine jungenhafte Begeisterungsfähigkeit war oft ansteckend, und sein Interesse an den Menschen machte ihn sympathisch. Die Seeleute hatten seinen vollen Titel fallen lassen und waren dazu übergangen, ihn herzlich mit Rev anzusprechen.
»Auf keinen Fall, Sir«, versicherte Matilda schnell. Sie stand selbst kurz vor dem Zusammenbruch. Das Herrichten der Betten, das Ausräumen des Koffers, das Kochen und ein Lächeln für jeden bereithalten zu müssen – all das hatte ihre frühere Energie aufgebraucht. »Warten Sie nur, bis ich das Haus aufgeräumt und geputzt habe. Wenn Madam dann ihre kleinen Schätze auspackt, wird es hier sehr gemütlich sein.«
»Ich hätte nie gedacht, dass es hier so sein würde«, platzte er heraus und vergrub seinen Kopf in den Händen. »Ich bin hergekommen, um mit den Armen zu arbeiten. Mir war nicht klar, dass wir auch wie sie leben würden.«
Matilda fühlte Mitleid mit ihrem Dienstherrn. Während ihrer Reise hatten sie an Deck oft lange Gespräche geführt. Sie hatte herausgefunden, dass sein Motiv, nach Amerika auszuwandern,
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