Lesley Pearse
müsse Reverend Darius Kirkbright mit seiner Frau sein, der die Milsons willkommen heißen wollte, fuhr sie mit ihrer Arbeit fort.
Da die Tür zwischen Treppe und Küche geschlossen war, konnte Matilda nicht verstehen, worüber die Damen sprachen, als sie sich dorthin zurückzogen. Sie hörte nur das freundliche Murmeln ihrer Stimmen. Matilda freute sich, dass Lily nach der langen Reise wieder weibliche Gesellschaft hatte.
Nach einer halben Stunde erwachte Tabitha aus ihrem Mittagsschlaf und kam Matilda suchen. Sie trug nur einen Petticoat, und das Haar klebte ihr verschwitzt am Kopf.
»Gehen wir etwas spazieren?«, fragte sie Matilda.
»Wir müssen dich jetzt erst einmal anziehen, und dann musst du zu Mama und Papa gehen. Sie haben nämlich Besuch bekommen, und ich bin sicher, dass der dich kennen lernen möchte. Vielleicht unternehmen wir später noch einmal einen Spaziergang, wenn es etwas kühler geworden ist.« Die Hitze war unerträglich – sie verstand jetzt, dass alle Häuser in der Straße die Fensterläden geschlossen hatten, solange die Sonne hoch am Himmel stand. Matilda wünschte auch, etwas Luftigeres zum Anziehen zu besitzen. Auf dem Schiff war sie froh gewesen, ihr dickes navyblaues Wollkleid zu tragen, aber hierfür war es jetzt viel zu heiß. Bislang hatte sie noch nicht gewagt, Lily darauf anzusprechen, denn sie wollte unter allen Umständen vermeiden, sie aufzuregen.
Tabitha zog ein Gesicht. »Wird es hier immer so heiß sein?«
»Nein. Dein Vater sagte, dass es im Winter sehr kalt wird«, erklärte Matilda, während sie Tabitha ein Kleid über den Kopf zog und es zuknöpfte.
»Wird Mama jemals wieder glücklich sein?«
Matilda war plötzlich niedergeschlagen. Zu Beginn der Reise hatte Tabitha diese Frage schon einmal gestellt, und Matilda hatte gedacht, es sei ihr gelungen, das Kind davon zu überzeugen, dass ihre Mutter nur krank, nicht unglücklich war. Ganz offenbar kannte Tabitha den Unterschied.
»Natürlich wird sie das«, antwortete sie entschieden. »Sie war gestern nur müde, und all die unbekannten Dinge haben sie beunruhigt. Ihr geht es jetzt gut, und sie spricht mit ihren Besuchern. Aber du kannst selbst nachsehen. Ich kämme dir das Haar und bringe dich dann runter.«
Matilda zögerte zunächst vor der Küchentür. Dann klopfte sie vorsichtig, öffnete und fragte, ob sie Tabitha hineinbringen sollte. Die beiden Frauen saßen am Tisch und tranken Tee. Der Ofen hatte die Temperaturen ins Unerträgliche steigen lassen, obwohl das Fenster und die Tür zum Garten weit offen standen.
»Natürlich, Matty«, meinte Lily unerwartet herzlich. »Kommt doch beide herein, und lernt Mrs. Kirkbright kennen. Das sind meine Tochter Tabitha und Matty, ihr Kindermädchen«, erklärte sie ihrer Besucherin.
Tabitha stürmte in den Raum. Sie freute sich immer, Menschen kennen zu lernen.
»Guten Tag, Mrs. Kirkbright.« Matilda machte einen kleinen Knicks und hoffte, dass dies angemessen war. Sie vermutete, dass die Frau des Reverends, die in ihrem violetten Kleid und dem passenden Hut kräftig und matronenhaft aussah, um einige Jahre älter als Lily war. Sie machte jedoch einen liebenswürdigen Eindruck, und ihre großen, sanftmütigen Augen und ihr Lächeln wirkten sehr herzlich. Auch war sie nicht mit leeren Händen gekommen. Auf dem Tisch lag ein wahrer Berg an Lebensmitteln – darunter ein Johannisbeerkuchen, verschiedene Einmachgläser und ein gekochtes Hühnchen.
»Ich dachte, Sie wollten Tabitha gern sehen. Wenn Sie keine weitere Arbeit für mich haben, werde ich weiter die Koffer ausräumen.«
»Bleib doch hier, Matty«, bat Lily. »Mrs. Kirkbright erzählte mir gerade vom amerikanischen Essen und den Geschäften, in denen man am besten einkaufen kann. Ich weiß nicht, wie ich mir alles merken soll, aber vielleicht kannst du es ja.«
Es war eine Überraschung, nicht zum Auspacken zurückgeschickt zu werden, und vielleicht war es das, was Matilda so impulsiv werden ließ. »Ist Ihnen beiden nicht furchtbar heiß?«, fragte sie. »Möchten Sie sich nicht in den Garten setzen? Es ist dort kühl und schattig. Heute Morgen erst habe ich die Bank draußen geschrubbt.«
Mrs. Kirkbright lachte. »Kein Wunder, dass Sie Matilda aus England mitgebracht haben. Mir ist es bislang nicht gelungen, eine Bedienstete mit ein wenig Eigeninitiative zu finden. Mir ist tatsächlich unerträglich heiß, aber ich hätte nie gewagt, dies zu äußern.«
Matilda bemerkte bestürzt, dass sie ihre Herrin in
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