Letale Dosis
mich viel mehr interessieren würde – hatte Ihr Mann Feinde?«
»Feinde? Keine Ahnung. Im Beruf vielleicht, es gibt immer Neider, die einem den Erfolg nicht gönnen, auch wenn man sich den hart erarbeitet hat. Aber wenn Sie Namen von mir hören wollen, damit kann ich nicht dienen. Und in der Kirche, nein. In der Kirche hat man keine Feinde. Es sind gute Leute, auch wenn es wie überall ein paar schwarze Schafe gibt. Aber die meisten sind gut und gottesfürchtig.«
Julia Durant lehnte sich zurück, öffnete die Handtasche, holte die Schachtel Gauloises heraus und wollte sich gerade eine anzünden, als Frau Rosenzweig sie freundlich zurückhielt. »Bitte, aber wir rauchen nicht, und …«
Die Kommissarin errötete leicht und steckte die Zigarette mit einem Murmeln wieder zurück.
»Entschuldigung, ich …«
»Schon gut. Es gibt ein paar Grundsätze, auf die wir Wert legen, und dazu gehört, daß wir nicht rauchen, keinen Alkohol trinken und überhaupt auf Genußmittel jeder Art verzichten. Ich verlange nicht, daß Sie das verstehen, doch bis jetzt hat es noch keinem von uns geschadet.«
Hellmer grinste nur, während Julia Durant sich eine Bemerkungverkniff. Statt dessen sagte sie: »Auch wenn es vielleicht zu persönlich erscheinen mag – aber wie war Ihre Ehe?«
Für den Bruchteil einer Sekunde zuckte Marianne Rosenzweig zusammen, ihr Blick wurde mit einem Mal kühl und abweisend. Mit Nachdruck sagte sie: »Wir haben eine ausgesprochen harmonische Ehe geführt. Ja, eine sehr harmonische Ehe. Wir hätten in Kürze unseren zwanzigsten Hochzeitstag gefeiert, doch leider ist etwas dazwischen gekommen. Nun, das Leben ist nicht berechenbar, ebensowenig der Zeitpunkt des Todes. Aber mit dem Tod haben Sie sicherlich mehr Erfahrung als ich. Ich habe noch nicht viele Menschen sterben sehen.«
»Hat Ihre Ärztin mit Ihnen über die mögliche Todesursache Ihres Mannes gesprochen?«
»Ja, das hat sie allerdings. Ich bin sehr überrascht und kann es kaum glauben. Warum sollte mein Mann sich Gift spritzen? Wenn er sich hätte umbringen wollen, dann hätte er doch sicherlich eine weniger qualvolle Methode gewählt, oder?« fragte sie und betrachtete dabei ihre schlanken, wohlgeformten Hände.
»Glauben Sie denn, daß Ihr Mann sich umgebracht hat?« fragte Hellmer und blickte die ihm gegenübersitzende Frau direkt an, die seinen Blick jedoch nicht erwiderte.
»Nein, ich wüßte nicht, warum er das getan haben sollte. Es gab keinen Grund, es gab absolut keinen Grund. Ich kann einfach nicht glauben, daß er tot ist.«
»Nun, Frau Rosenzweig, wir werden abwarten müssen, was die Obduktion und die Analyse des Insulins ergibt. Sollte sich allerdings herausstellen, daß sich in dem Fläschchen kein Insulin befunden hat, sondern ein hochwirksames Gift, dann wirft das natürlich die Frage auf, wie das Gift, wenn es Selbstmord war, in seinen Besitz gekommen ist, oder, sollte es Mord gewesen sein, wer das Gift in seinem Schreibtisch deponiert hat. Wobei auch hier die Frage ist, woher der Täter das Gift hatte. Und noch eine Frage beschäftigt mich; warum ist das Unglück ausgerechnet zueinem Zeitpunkt passiert, wo sein Injektionsapparat defekt war und er wieder eine normale Spritze benutzen mußte? Wer hatte alles Zugang zum Schreibtisch Ihres Mannes?«
Marianne Rosenzweig blickte auf, kniff die Augen zusammen und schien durch Hellmer hindurchzusehen. Sie schüttelte kaum merklich den Kopf. »Er selbst, ich, die Kinder und unsere Haushälterin. Aber ich habe sein Arbeitszimmer in den letzten Monaten nicht mehr betreten. Es war so eine Art Refugium für ihn, von dort führte er seine Telefonate, dort hat er den größten Teil seiner kirchlichen Arbeit erledigt, zumindest was das Administrative anging, und dorthin hat er sich zurückgezogen, wenn er einfach seine Ruhe haben wollte. Worauf wollen Sie eigentlich hinaus?«
»Wir gehen davon aus, daß Ihr Mann Opfer eines Gewaltverbrechens wurde. Und wenn diese Vermutung zutrifft, dann werden wir noch einige sicherlich unangenehme Fragen stellen müssen. Und um noch einmal auf Ihre Ehe zurückzukommen, auch wenn es jetzt vielleicht etwas hart klingt – hatte Ihr Mann ein Verhältnis? Jetzt, oder vielleicht früher einmal?«
Marianne Rosenzweig sah Julia Durant erst verwundert über die ungewöhnliche Frage an, dann wurde ihr Blick mit einem Mal eisig. »Hören Sie, ich sagte Ihnen bereits, unsere Ehe war sehr harmonisch! Mein Mann hatte kein Verhältnis, er hatte so etwas nicht
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