Letale Dosis
stellen.«
»Worüber?«
»Dies und das. So wenig, wie ich ihr von unserem Gespräch etwas sagen werde, so wenig werde ich Ihnen sagen, was ich von Ihrer Frau will.«
»Ich hätte mich nie auf Sie einlassen sollen«, sagte Fink und kam hinter seinem Schreibtisch hervor. »Aber bitte, wenn Sie unbedingt wünschen, meine Frau sitzt auf der Veranda. Sie brauchen nur die Treppe runter zu gehen und geradeaus durch den Wohnraum. Sie werden sie nicht übersehen.«
»Danke und auf Wiedersehen. Und einen schönen Tag noch.«
Frau Fink saß, wie ihr Mann sagte, auf einem Liegestuhl auf der Veranda und las ein Buch. Sie blickte auf, als die Kommissarin plötzlich wie aus dem Nichts neben ihr stand. Sie legte das Buch auf die Schenkel, sah Julia Durant an.
»Frau Fink?«
»Ja, bitte?« Sie hatte eine weiche, zarte Stimme, ihre Haare waren grau und streng zurückgekämmt, tiefe Falten hatten sich um die Nase und den blutleeren Mund mit den schmalen Lippen gegraben, vor allem aber in ihren Hals. Ihre einst grünen Augen waren matt und auf eine seltsame Weise leblos, sie blitzten nicht einmal auf, als sie die Fremde ansah.
»Ich bin Kommissarin Durant von der Kriminalpolizei. Dürfte ich mich kurz mit Ihnen unterhalten?«
»Geht es um Bruder Rosenzweig und Bruder Schönau?« fragte Frau Fink und setzte sich aufrecht hin.
»Ja, um die auch …«
»Ist irgendwas mit meinem Mann?« fragte sie weiter.
»Ihr Mann hat nicht mit Ihnen darüber gesprochen?«
»Über was?« fragte sie emotionslos.
»Können wir uns ungestört unterhalten? Ich meine, unter vier Augen?«
»Gehen wir eine Runde durch den Garten. Auch wenn ich mir nicht vorstellen kann …«
»Lassen Sie uns gehen, ich möchte nicht, daß Ihr Mann uns hört. Ich glaube, er wäre nicht sehr erfreut darüber.«
Frau Fink stand auf, legte das Buch auf den Liegestuhl. Sie war etwas kleiner als Durant, ihre Bewegungen waren schwerfällig. Mit langsamen Schritten gingen sie in den Garten, kamen auf eine ausgedehnte Rasenfläche, zur Linken befand sich ein etwa fünfzehn mal zehn Meter großer Swimmingpool.
»Sie haben ein schönes Anwesen«, sagte Julia Durant anerkennend. »Aber es macht sicher viel Arbeit.«
»Wir haben ein paar Bedienstete, die sich um das Haus und den Garten kümmern. Aber das ist es doch nicht, worüber Sie sich mit mir unterhalten wollen, oder?«
»Nein, es geht um Ihren Mann. Er hat mich zwar gebeten, nicht mit Ihnen darüber zu sprechen, aber manchmal muß ich solche Bitten leider ignorieren. Um es kurz zu machen, er hat Morddrohungen erhalten, und ich möchte wissen, warum. Können Sie mir etwas dazu sagen?«
»Morddrohungen?« fragte Frau Fink erstaunt. »Ich verstehe nicht …«
»Nun, Rosenzweig und Schönau sind bereits tot, wie Sie wissen. Und Ihr Mann scheint auch auf der Liste des Mörders zu stehen. Nur weigert er sich leider, mir bei meinen Ermittlungen behilflich zu sein. Deswegen wende ich mich an Sie.«
»Und wie kann ich Ihnen helfen?«
»Erzählen Sie mir etwas über Ihre Familie, Ihre Ehe, Ihre Freunde und Bekannten, über die Arbeit Ihres Mannes. Was Ihnen so einfällt.«
»Streichen wir Freunde, denn wir hatten nie welche.
Er
wollte nie welche haben. Ich weiß bis heute nicht, warum, doch ich habe mich damit abgefunden. Bekannte«, sie zuckte kaum merklich die Schultern. »Wir haben viele, aber es sind wie gesagt nur Bekannte. Und nach achtunddreißig Jahren etwas über unsere Ehe zu sagen … Wir sind verheiratet, wir leben, uns fehlt es an nichts … ich kann mich nicht beklagen.« Die letzten, mit einer gehörigen Portion Bitterkeit versehenen Worte ließen Julia Durant aufhorchen. Doch sie sagte nichts.
»Und unsere Familie – Laura ist Ärztin, Stephan Künstler, und Jürgen, unser Jüngster, ist leider abgerutscht …«
»Warum?«
»Entschuldigen Sie, aber ich möchte nicht darüber sprechen. Es ist eine Sache zwischen meinem Mann und ihm, und es steht mir nicht zu, eine Meinung dazu zu haben.«
»Sie sind doch aber die Mutter. Und Jürgen ist auch Ihr Sohn.«
»Aber mein Mann ist der Patriarch der Familie, und als solcher hat er das Sagen. Auch wenn es mir in der Seele weh tut, wenn ich sehe, wie Jürgen leidet. Doch ich habe nicht die Kraft und auch nicht die Macht, etwas für ihn zu tun. Außerdem ist er alt genug, um zu wissen, was er tut. Ich fürchte, ich kann Ihnen nicht helfen.«
»Gibt es so etwas wie ein Familiengeheimnis, von dem ich wissen sollte? Ein Geheimnis, das jemanden dazu bringen
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