Letale Dosis
Bekannter, besser gesagt, ein ehemaliger Kollege von mir. Nur, Griese hat mir dieses Päckchen nicht geschickt, ich habe ihn gleich angerufen, zumindest habe ich es versucht, doch seine Frau hat mir gesagt, daß er seit einer Woche im Krankenhaus liegt und gar nicht in der Lage wäre, ein Paket abzuschicken.«
»Was hat er und wo liegt er?«
»Er hatte einen Herzinfarkt und liegt noch immer auf der Intensivstationdes Höchster Krankenhauses. Und es ist sehr fraglich, ob er sich je wieder erholen wird. Jemand hat seinen Namen als Absender benutzt, jemand, der es auf mich abgesehen hat«, sagte er mit bebender Stimme.
Durant klappte den Deckel zurück, der Paketaufkleber war mit Maschine beschrieben worden.
»Diese Puppe«, sagte Fink weiter, »das ist doch eine Voodoo-Puppe, oder? Die schickt man doch jemandem, den man umbringen will.«
»Das kann sein. Sie haben mir aber auch etwas von einem Schreiben gesagt.«
»Hier«, sagte Fink, nahm ein Blatt Papier vom Schreibtisch und reichte es der Kommissarin.
Hallo, Hirte,
Du siehst, es gibt für mich immer eine Möglichkeit, an Dich heranzukommen. Denk dran, Deine Uhr ist fast abgelaufen. Aber den Zeitpunkt bestimme ich. Und vorher will ich Dich leiden sehen, ich will sehen, wie Du Deine letzten Tage verbringst. Fragst Du Dich nicht manchmal, wie schön Dein Leben doch hätte zu Ende gehen können? Du hättest noch viele, viele Jahre haben können, und eines Tages wärst Du vielleicht ruhig und friedlich in Deinem Bett eingeschlafen. Leider hast Du einen anderen Weg gewählt, einen grauenhaften, schmerzvollen Weg, und ich werde Dir helfen, diesen Weg auch zu Ende zu gehen. Nicht der Tod ist das Schlimme, sondern das Sterben. Dein Sterben.
Bis bald, und Du weißt, ich denke immerfort an Dich.
»Darf ich mich setzen?« fragte Durant.
»Bitte«, sagte Fink und deutete auf einen Sessel links vom Schreibtisch. Er selbst stellte sich ans Fenster, die Hände in den Hosentaschen und blickte hinaus auf den Park.
»Sie müssen mir Polizeischutz geben«, sagte er nach einer Weile, ohne sich umzudrehen. »Sie sehen doch, ich bin in akuter Lebensgefahr.«
»Ich habe bereits gestern gesagt, daß das nicht möglich ist. Wir können Ihnen keine Beamten als Bodyguards zur Verfügung stellen. Es gibt aber genügend private Organisationen, die dafür bestens ausgerüstet sind.«
»Du meine Güte, es muß doch eine Möglichkeit geben, mich vor diesem Wahnsinnigen zu schützen! Ich habe Angst!«
»Herr Fink, ich meine Dr. Fink, es könnte unter Umständen eine Möglichkeit geben, Ihnen zu helfen, die Voraussetzung dafür ist natürlich, daß Sie uns helfen. Quid pro Quo, eine Hand wäscht die andere.«
Fink drehte sich um, lief nervös durch das Zimmer, fuhr sich mit einer Hand übers Gesicht, er schwitzte, obgleich es kühl in dem Raum war.
»Und wie soll diese Hilfe aussehen? Ich habe doch nichts verbrochen! Ich habe keinem Menschen ein Leid zugefügt, das müssen Sie mir glauben! Aber natürlich, Sie glauben mir nicht, Sie denken, ein Mann wie ich müsse unbedingt Dreck am Stecken haben, weil ja die Schönen und Reichen angeblich immer Dreck am Stecken haben. Aber bei mir werden Sie nichts finden!«
»Dann tut es mir leid, aber ich kann Ihnen nicht helfen. Vielleicht handelt es sich bei dem Absender ja um einen Trittbrettfahrer.«
»Daß ich nicht lache! Das glauben Sie ja wohl selbst nicht! Rosenzweig ist tot, Schönau auch. Und ich soll der nächste sein. Aber ich will noch leben, verstehen Sie, ich will leben! Aber da draußen gibt es jemanden, der nicht will, daß ich weiterlebe. Kapieren Sie das nicht?!«
»Dr. Fink, ich habe heute vormittag mit Ihren Söhnen gesprochen …«
»Ach, du meine Güte«, sagte er mit dem gleichen Zynismus, densie schon bei Stephan Fink kennengelernt hatte, und winkte ab. »Jetzt wollen Sie bestimmt auf Jürgen, meinen lieben Sohn, hinaus. Was hat er Ihnen denn über mich erzählt? Was hat Ihnen dieser Säufer vorgejammert? Wie erbärmlich ich ihn behandele? Wie schlecht es ihm geht? Vergessen Sie alles, was er Ihnen gesagt hat, er ist nicht zurechnungsfähig.«
»Was glauben Sie denn, was er gesagt hat?« fragte Julia Durant.
»Wir haben ein gespaltenes Verhältnis. Er hat es vorgezogen, sein Leben so zu gestalten, wie er es für richtig hielt. Und ich habe ihn gewähren lassen. Und jetzt ist er dort, wo er hingehört. Ich weiß, das klingt hart aus dem Mund eines Vaters, doch irgendwann entscheiden die Kinder selbst, was sie
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