Letale Dosis
Durant zuckte die Schultern. »Das war’s leider auch schon. Außer vielleicht, daß ein recht einflußreicher Mann, der auch dieser Kirche angehört und mit den beiden Opfern direkt zusammengearbeitet hat, zwei eindeutige Schreiben erhalten hat, in denen ihm mit dem Tod gedroht wird. Außerdem bekam er eine sogenannte Voodoo-Puppe zugeschickt, in deren Herz eine Nadelsteckte. Der Mann hat panische Angst. Das ist alles, was wir bis jetzt haben. Und die Medien hängen uns natürlich ganz schön im Nacken.«
»Kann ich mir vorstellen. Aber für ein Persönlichkeitsprofil oder ein, wie ihr es nennt, Täterprofil reichen diese Informationen beileibe nicht aus. Dazu braucht auch der gewiefteste Psychologe mehr Details, Spuren vom Fundort, Lage der Leiche und so weiter. Ich kann mich nur erinnern, daß wir einmal eine Patientin hatten, die ihren Mann über den Zeitraum eines halben Jahres systematisch vergiftet hat. Er hatte eine Affäre nach der andern, trank, verprügelte sie regelmäßig, machte auch vor Vergewaltigung nicht halt. Das schlimmste für sie war jedoch, daß er sich auch noch an ihrer gemeinsamen Tochter vergangen hat, und als die Frau dahinterkam, brannten bei ihr alle Sicherungen durch. Sie war einfach nicht mehr gewillt, diese unglaubliche Demütigung hinzunehmen. Seine Affären, seine Trinkerei, seine Schläge, das alles hätte sie verkraftet, doch der Mißbrauch der eigenen Tochter, nein, das war zuviel für sie. Wir hatten sie zwei Jahre in der geschlossenen Abteilung, danach wurde sie aufgrund eines von mir und zwei anderen Psychologen erstellten Gutachtens freigelassen. Sie stellt keine Gefahr für andere dar, sie hat sich auch, soweit mir bekannt ist, nichts mehr zuschulden kommen lassen.«
»Wie alt ist diese Frau jetzt?«
»Sie müßte so um die Vierzig sein. Die Sache liegt auch schon mehr als fünf Jahre zurück. Ich weiß nur, sie hat fast fünfzehn Jahre lang die Hölle auf Erden erlebt und irgendwann keinen Ausweg mehr gesehen. Es ist furchtbar, was manchmal mit Menschen gemacht wird. Aber komm, laß uns von was anderem reden.«
Enrique brachte die Paella, sie füllten sich auf, begannen zu essen. Eine Weile schwiegen sie, es kamen weitere Gäste, schließlich waren alle Tische besetzt. Sie unterhielten sich, doch dasmeiste bestand aus Belanglosigkeiten. Um zehn verließen sie das Lokal und fuhren zurück in die Wohnung von Werner Petrol.
Sie tranken noch einen Cognac, saßen auf der Couch, hörten Musik. Petrol umarmte Julia Durant, küßte sie. Sie liebten sich auf der Couch und auf dem Teppich, schließlich trug er sie nach oben ins Schlafzimmer, wo sie noch eine weitere Stunde verbrachten. Es war kurz vor halb zwei, als Werner Petrol sich erschöpft auf die Seite rollte.
»Du bist eine ganz schöne heiße Frau«, sagte er und blickte Julia Durant grinsend von der Seite an. »Und ganz schön anstrengend dazu.«
»Kannst du etwa nicht mehr?« fragte sie spöttisch lächelnd. Sie war nackt, setzte sich auf, zündete sich eine Gauloise an.
»Hahaha«, sagte er. »Ich bin doch keine Maschine. Schließlich haben wir in nicht einmal drei Stunden vier …«
»Du vielleicht, ich nicht«, sagte sie und packte noch eine Prise mehr Spott in ihre Stimme.
»Was soll das heißen?« fragte er.
»Na ja, du bist viermal gekommen, ich mindestens sechsmal«, meinte sie grinsend. »Es war ganz nett.«
»Ganz nett, ganz nett! Wie sich das anhört! Wenn du sechs Orgasmen hattest, dann müßtest du eigentlich zufrieden sein.«
»Hab ich etwa das Gegenteil behauptet? Laß mir doch den Spaß, ich will dich einfach ein bißchen ärgern. Aber ja, mein Herr, es war eine wunderbare Nacht mit dir … Und wann ist endlich die Scheidung?«
»O mein Gott! Warum mußt du immer alles im schönsten Augenblick verderben?«
»Werner, ich sage es zum letzten Mal, entweder ganz oder gar nicht. Du hast die Wahl. So gern ich mit dir schlafe, soviel Spaß es mir auch macht, ich habe keine Lust mehr, ständig in Wartestellung zu sein. Kannst oder willst du das nicht verstehen? Wenn du deine Frau nicht mehr liebst, wenn eure Ehe so zerrüttetist, wie du immer sagst, was hindert dich dann daran, endlich einen Schlußstrich zu ziehen? Sag es mir, damit ich es verstehen kann.«
Schweigen.
Sie lachte kurz und trocken auf, schüttelte den Kopf. »Das ist typisch für dich. Wenn es ernst wird, schweigst du. Du bist ein angesehener Arzt, du kannst Freud und Jung und wie sie nicht alle heißen wahrscheinlich im Schlaf
Weitere Kostenlose Bücher