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Letale Dosis

Letale Dosis

Titel: Letale Dosis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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nicht vom Telefon oder irgendwelchen Alpträumen geweckt zu werden. Sie versuchte, sich auf die Reportage zu konzentrieren, doch es gelang ihr nicht, immer wieder kreisten ihre Gedanken um Jürgen Fink und seinen Abschiedsbrief. Um Viertel vor sieben las sie ihn noch einmal, suchte nach etwas, das vielleicht zwischenden Zeilen stand, doch sie fand nichts. Sie las nur das erschütternde Schreiben eines vom Leben und von den Menschen im Stich gelassenen jungen Mannes. Sie drückte die Zigarette aus, die dritte, seit sie zu Hause war, wollte sich gerade wieder gemütlich zurücklehnen, als das Telefon klingelte.
    »Scheiße«, sagte sie leise zu sich selbst und stand auf, nahm den Hörer in die Hand, meldete sich.
    »Hallo, Julia, ich bin’s«, sagte Werner Petrol. »Sehen wir uns heute abend?«
    »Du, um ganz ehrlich zu sein, heute bin ich einfach nur müde. Lieber morgen oder übermorgen. Im Augenblick haben wir alle Hände voll zu tun, und ich war den ganzen Tag auf den Beinen. Nicht böse sein, aber …«
    »Julia, du fehlst mir. Und wenn du hier wärst, könnten wir ja zusammen versuchen, ein Täterprofil zu erstellen.«
    »Wenn unser Polizeipsychologe das nicht kann, wie willst du es dann können?«
    »Ich sagte doch, ich kenne jemanden aus dieser Kirche. Unter Umständen habe ich Informationen für dich, die dir weiterhelfen.«
    »Das kann doch auch bis morgen warten. Heute will ich damit nichts mehr zu tun haben. Außerdem habe ich meine Tage.«
    »Du fehlst mir wirklich …«
    »Das glaub ich dir ja, aber ich kann heute nicht mehr. Bitte versteh das. Morgen abend können wir uns gern sehen.«
    »Schade. Ich … Na ja, ich bin ein Blödmann, ich weiß. Aber … Ach was, lassen wir’s. Was machst du gerade?«
    »Fernsehen. Ich werde früh zu Bett gehen und mich einmal richtig ausschlafen. Und du?«
    »Weiß noch nicht. Vielleicht gehe ich nachher noch in eine Bar oder ins Kino. Mir ist langweilig.«
    »Und was ist mit deiner Familie? Was sagen die denn, wenn du dich das ganze Wochenende nicht bei ihnen blicken läßt?«
    »Hör zu, ich werde meine Frau allmählich darauf vorbereiten, daß sie bald ganz ohne mich auskommen muß. Ich werde für sie sorgen, aber nicht mehr anwesend sein. Was glaubst du wohl, weshalb ich mir diese Wohnung hier gekauft habe?«
    »Weiß nicht, sag’s mir.«
    »Weil ich gehofft hatte, daß eines Tages eine Frau wie du hier einziehen würde. Kapiert?«
    »Kapiert schon, nur sehe ich das noch nicht. Du kennst meine Bedingungen, und von denen rücke ich keinen Millimeter ab.«
    »Brauchst du auch nicht, ich werde dich nicht zwingen. Aber beweisen werde ich dir, wie ernst ich es meine. Ich liebe dich, und ich brauche dich.«
    »Werner, das sind für mich im Augenblick nur Worte. Ich bin leider eine elende Realistin, für die nur Fakten zählen.«
    »Liebst
du
mich denn?« fragte er.
    Sie zögerte mit der Antwort, schließlich sagte sie: »Ich weiß es nicht. Vor einem halben Jahr habe ich mich in dich verliebt, das stimmt schon. Aber das war nur ein One-Night-Stand …«
    »Ein One-Night-Stand?« fragte er ungläubig. »Wir haben mindestens hundert Mal miteinander geschlafen, falls du das vergessen haben solltest.«
    »Gut, dann war es eben ein sechs Monate langer One-Night-Stand. Zufrieden?«
    »Willst du Schluß machen?«
    »Werner, bitte, ich habe einen furchtbaren Tag hinter mir und bin jetzt nicht in der Stimmung, über dieses Thema zu reden. Ich bin müde, ich habe meine Tage, und ich will heute nur noch meine Ruhe haben. Und ich bitte dich, das zu respektieren. Okay?«
    »Okay. Aber sag mir, wenn du nicht mehr mit mir zusammensein willst. Ich kann es verkraften.«
    »Natürlich kannst du das«, sagte sie. »Aber um dich zu beruhigen, noch ist es nicht soweit. Und jetzt laß mich einfach weiterfernsehen. Geh in eine Bar oder ins Kino, amüsier dich. Ich wünsch dir einen schönen Abend. Ruf mich morgen an. Ciao.«
    »Ciao, und – ich liebe dich. Schlaf gut.«
    Sie legte auf, zündete sich eine neue Zigarette an, schloß die Augen, schalt sich eine feige Henne, ihm nicht die Wahrheit über ihre Gefühle gesagt zu haben. Denn in Wirklichkeit waren da keine tiefen Gefühle mehr für ihn. Sie mochte ihn, aber sie liebte ihn nicht mehr. Sie schwor sich, es ihm bald zu sagen. Es würde ein leichtes für ihn sein, eine Neue zu finden, eine, die besser mit ihm zurechtkam. Sie hatte einen schalen Geschmack im Mund, als sie sich wieder auf die Couch setzte, ein paar Chips aus der Tüte nahm

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