Letale Dosis
und in den Mund steckte.
Das Leben von Jürgen Fink war nicht gerecht gewesen. Und ihr Leben? Sie fühlte eine tiefe Melancholie in sich aufsteigen, eine Traurigkeit der Art, die sie früher zum Weinen gebracht hätte. Sie wußte nicht, wie lange es her war, seit sie das letzte Mal geweint hatte. Vermutlich vor neun Jahren, als ihre Mutter starb. Nein, es war, als sie von den Eskapaden ihres Exmannes erfuhr. Sie trank das Bier aus, holte sich ein neues aus dem Kühlschrank und nahm einen kräftigen Schluck. Allmählich fühlte sie sich besser und gelöster. Sie würde den Abend genießen, ganz gleich was immer kam.
Sonntag, 19.45 Uhr
Er hatte sich eine Pizza kommen lassen und aß gerade das letzte Stück, als es klingelte. Er ging an die Tür, sah auf dem Monitor die junge Frau, die einen hellen Trenchcoat und über der Schulter eine gleichfarbige Handtasche trug. Ein Grinsen überzog sein Gesicht, als er den Türöffner betätigte und die Wohnungstür aufmachte. Er lehnte sich, die Hände in den Hosentaschen, an den Türrahmen, wartete, bis der Aufzug hielt und die Frau heraustrat.»Das ist aber eine Überraschung«, sagte er und küßte sie. Das ihr so eigene laszive und unergründliche Lächeln umspielte ihren Mund, als sie an ihm vorbei in die Wohnung ging. Sie legte den Mantel ab, unter dem sie nichts als ein bis knapp über den Po reichendes, marineblaues Kleid anhatte, halterlose Strümpfe und die Goldkette, die er ihr zum letzten Weihnachtsfest geschenkt hatte. Sie setzte sich mit aufreizenden Bewegungen auf einen der Sessel, die Beine eine Winzigkeit gespreizt über die Lehne gelegt; das ohnehin kurze Kleid war noch höher gerutscht, er bemerkte, daß sie nicht einmal einen Slip trug.
»Damit hast du nicht gerechnet, was?« sagte sie mit gurrender Stimme und sah ihn herausfordernd an.
»Nein, damit habe ich nicht gerechnet. Du kommst doch sonst nicht so unangemeldet«, sagte er und trat dicht an sie heran. Sie duftete verführerisch, ihr Blick, ihr Körper strahlten eine unbeschreibliche Sinnlichkeit aus, ein brodelnder Vulkan, zum Ausbruch bereit. Knisternde Erotik machte sich in der Wohnung breit.
Sie zündete sich eine Zigarette an. Er stand vor ihr, betrachtete sie, spürte das Verlangen nach ihr von Sekunde zu Sekunde stärker werden.
»Wieso hast du nicht vorher angerufen?« fragte er, unfähig, seinen Blick von ihren festen, gebräunten Schenkeln abzuwenden, zwischen denen sich das dunkle Dreieck erahnen ließ. Er bemerkte nicht das plötzliche spöttische Aufblitzen in ihren Augen. »Ich habe es ein paarmal versucht, doch entweder war besetzt oder dein Anrufbeantworter war eingeschaltet. Na ja, und deine Mailbox hörst du ja anscheinend nie ab. Und weil ich mich heute bei diesem beschissenen Wetter so einsam fühle, dachte ich mir, ich fahre einfach mal hin und schaue nach, ob du da bist. Freust du dich denn nicht? Ich habe mich das ganze Wochenende über so einsam und allein gefühlt, und heute habe ich es einfach nicht mehr ausgehalten.«
Er schluckte schwer, sah in ihre großen, rehbraunen Augen. »Natürlich freue ich mich«, sagte er. »Und was wollen wir heute machen?«
Sie lächelte noch eine Spur lasziver, spreizte die Beine etwas weiter, ließ einen Moment verstreichen, genoß seine Blicke, sagte: »Na was wohl? Kannst du dir das nicht denken? Ich will spielen, um genau zu sein – ficken. Du etwa nicht?«
»Du bist immer so umwerfend direkt, und das gefällt mir an dir. Du redest nie um den heißen Brei herum, sondern nimmst dir, was du brauchst. Hab ich recht?« sagte er grinsend.
»Ich nehme mir nur, was andere mir freiwillig geben. Ich will dich nicht zwingen, und wenn du willst, daß ich wieder gehe …«
»Nein, nein«, sagte er schnell und ging zur Bar. »Was möchtest du trinken? Einen Martini oder einen Scotch?«
»Einen Martini.« Sie fuhr sich mit der Zunge über die vollen Lippen, sah ihm zu, wie er die Gläser füllte und auf sie zukam.
»Cheers«, sagte er und hob sein Glas. »Auf einen schönen Abend.«
»Den werden wir mit Sicherheit haben«, sagte sie und trank ihr Glas in einem Zug aus. »Ich war selten so geladen wie heute, ich könnte glatt explodieren. Laß uns nach oben gehen und keine Zeit verlieren. Ich habe schließlich seit drei Tagen keinen Sex mehr gehabt … Und drei Tage können eine verdammt lange Zeit sein.«
Er strich sanft über ihre Beine, griff zwischen ihre Schenkel, spürte die feuchte Wärme an seinen Fingern.
»Gehen wir nach oben,
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