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Letale Dosis

Letale Dosis

Titel: Letale Dosis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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Tür nur angelehnt. Sie setzte sich zu Hellmer, der sich immer wieder Notizen machte, und schaute ihm über die Schulter. Sie hängte ihre Tasche über die Stuhllehne, legte den Kopf in den Nacken, schloß die Augen. Als Hellmer den Hörer auflegte, sagte er grinsend: »Bingo! Diese Information wird dich umhauen. Finks Vater, Albert Fink, – und jetzt halt dich fest – war unter Hitler ganz wesentlich an der Produktion von Giftgas beteiligt. Er war einer der Chefchemiker bei der IG Farben und unter anderem für die Produktion des berüchtigten Zyklon B mitverantwortlich, mit dem Millionen von Juden umgebracht wurden. Und jetzt kommt’s noch dicker – Albert Fink war zu diesem Zeitpunkt Mitglied der
Kirche des Elohim
. Jetzt frage ich mich, wie kommt ein angeblich guter Christ dazu, dabei zu helfen, Millionen von Menschen in den Tod zu schicken, wo doch eines der zehn Gebote lautet ›Du sollst nicht töten‹? Als ich das eben gehört habe, ist mir fast die Spucke weggeblieben.« Er sah auf den Aschenbecher, die verglimmte Zigarette, holte sich eine neue aus der Hemdtasche und zündete sie an. »Könnte das vielleicht ein Motiv für den Mörder sein? Haben wir es hier mit einem zu tun, dem Vergangenheitsbewältigung wichtig ist? Was meinst du?«
    »Ich meine, wir sollten Rita Jung ins Präsidium holen«, erwiderte Durant lakonisch.
    »Was?« fragte er ungläubig. »Warum?«
    »Weil ich eben mit der Reich gesprochen habe, und die hat erzählt,daß die Jung vor etwa vier Jahren bei ihr in Therapie war. Nachdem ihr Mann rausgefunden hatte, daß das Kind nicht von ihm war, hat er sofort die Scheidung eingereicht. Sie hat eingewilligt, wollte aber das Sorgerecht für die Tochter haben. Sie bekam es aber nicht, und jetzt rate mal, wer sein Anwalt war?«
    »Keine Ahnung, sag’s mir.«
    »Fink. Fink hat dafür gesorgt, daß die Tochter dem Vater zugesprochen wurde. Seitdem hat die Jung einen unbändigen Haß auf Männer. Als die Scheidung durch war und sie nicht einmal das Sorgerecht für
ihre
Tochter bekam, hat sie ihren Kummer in Alkohol ertränkt, einmal sogar derart exzessiv, daß sie in eine Klinik eingeliefert werden mußte. Und jetzt rate noch mal – in welche Klinik ist sie damals wohl gekommen?«
    »St. Valentius?«
    »Der Kandidat hat neunundneunzig Punkte. St. Valentius«, sagte sie nickend. »Auf der Fahrt hierher habe ich mal folgendes Szenario durchspielt; Rita Jung hatte vor etwa zehn Jahren eine Affäre mit Schönau. Sie wurde schwanger, hat ihrem Mann aber verheimlicht, daß das Kind in ihrem Bauch nicht von ihm war. Logisch, schließlich gehörte sie einer Kirche an, in der eheliche Treue eines der hehrsten Gebote ist. Er wurde aber, als das Mädchen älter wurde, mißtrauisch, aus welchen Gründen auch immer, und hat seine Frau zur Rede gestellt, worauf sie den Seitensprung gestand, ohne den Namen ihres Liebhabers zu nennen. Er hat sich einen Anwalt genommen, nämlich Fink, hat die Scheidung eingereicht und erwirkt, daß das Sorgerecht für das Mädchen ihm zugesprochen wurde. Das ist aber noch nicht alles. In der Kirche wird Ehebruch mit Exkommunikation bestraft, aber, und jetzt kommt’s, da Fink der Anwalt ihres Mannes war, und die Jung ihm gegenüber vielleicht unter vier Augen verlauten ließ, natürlich mit dem Hintergedanken, ihn dadurch auf ihre Seite zu bekommen, daß sie diese Affäre mit Schönau hatte, der ja zu Finks besten Freunden zählte, mußte Fink auf einmal umdisponieren.Er gehört laut Sabine Reich zu den extrem konservativen Kräften in der Kirche, der jede noch so kleine Verfehlung sofort ahndet, in diesem Fall aber mußte er plötzlich umdenken. Normalerweise wäre es ein leichtes für ihn gewesen, der Frau nicht nur die Tochter wegzunehmen, sondern sie auch noch zu exkommunizieren und sie der öffentlichen Schande preiszugeben. Doch mit einem Mal stellte sich für ihn eine völlig neue Situation dar; wenn er Rita Jung aus der Kirche ausgeschlossen hätte, dann hätte er das gleiche auch mit Schönau tun müssen. Der Skandal wäre nicht auszudenken gewesen. Schönau wußte aber mit Sicherheit Dinge über Fink, und vermutlich auch über Rosenzweig, gegen die, um es gelinde auszudrücken, die Sprengkraft einer Atombombe wie ein harmloser Feuerwerkskörper gewesen wäre. Dann wäre der Skandal erst richtig perfekt und das Ansehen der Kirche erst einmal dahin gewesen. Also beschloß er, keine kirchlichen Schritte gegen die Jung einzuleiten, um zum einen seinen Freund zu decken und

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