Letale Dosis
zum andern einen Skandal zu vermeiden, der unweigerlich auch ihn persönlich betroffen hätte. Und ich möchte wetten, auch Rosenzweig war in diese Sache involviert. Wir hätten auf jeden Fall zum ersten Mal ein Motiv, nämlich Rache. Denn es war letztendlich Fink, der ihr die Tochter weggenommen hat …«
»Moment«, sagte Hellmer und hob die Hände, »da stimmt etwas nicht an deiner Theorie. Wenn Fink ihr das Wichtigste im Leben genommen hat, nämlich die Tochter, was hätte sie dann daran hindern können, die ganze Sache mit Schönau publik zu machen? Sie hätte mit wenigen Worten nicht nur Schönau, sondern auch Fink bloßstellen können. Warum hat sie es nicht getan? Schließlich hatte sie nichts mehr zu verlieren.«
Julia Durant lehnte sich zurück, überlegte. »Du hast recht. Warum hat sie es nicht getan?« Sie fuhr sich mit der Linken übers Gesicht, sagte schließlich nach einer Weile: »Was, wenn sie unter Druck gesetzt wurde und man sie mit einer hübschen SummeGeld für ihr Schweigen abgefunden hat? Jeder Mensch ist käuflich, solange die Summe stimmt.«
»Schon, aber glaubst du allen Ernstes, sie hätte noch mal was mit Schönau angefangen? Und mit Rosenzweig?«
»Warum nicht? Sie hatte ab da, wie du schon sagtest, nichts mehr zu verlieren. Jetzt setzt sie ihre definitiv vorhandenen körperlichen Reize ein, macht einen auf unschuldig, gaukelt den werten Herren vielleicht sogar Liebe vor, wobei der eine nichts vom andern weiß, und schon hat sie sie dort, wo sie sie haben wollte – im Bett. Sie hat mit ihnen geschlafen, sie in Sicherheit gewogen und zugeschlagen, als keiner damit rechnete. Sie hatte vier Jahre lang einen Racheplan, den sie zu einem Zeitpunkt umzusetzen begann, den sie für angemessen hielt. Ich halte nichts für unmöglich. Dazu kommt noch, daß sie für kurze Zeit Patientin im St. Valentius Krankenhaus war, dort vielleicht Petrol begegnet ist und eine Liaison mit ihm angefangen hat, vermutlich, weil sie wirklich in ihn verliebt war und vielleicht hoffte, dadurch ihre Vergangenheit besser bewältigen zu können. Womöglich hat sie just zu diesem Zeitpunkt auch angefangen, sich für Gifte zu interessieren, was Petrol natürlich mitbekommen hat. Vielleicht war es wirklich Liebe zwischen den beiden, wer weiß?! … Aber Petrol wurde, nachdem er von den Morden hörte, hellhörig, weil er eben von ihrer unbewältigten Vergangenheit wußte, vor allem von der Tochter, die ihr einfach weggenommen worden war. Sie, eine von mindestens zwei Geliebten von Petrol, wurde jedoch ihrerseits stutzig und hat auch ihn beseitigt, vielleicht, weil eine innere Stimme ihr sagte, Petrol würde nicht mehr lange stillhalten und womöglich schon bald mit bestimmten Informationen zur Polizei gehen. Klingt doch logisch, oder?«
»Schon«, sagte Hellmer mit zweifelndem Gesichtsausdruck, »aber irgendwie ist mir das zu glatt. Ich kann’s nicht sagen, es ist bloß ein Gefühl. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, daß
alle
diese Männer so blind gewesen sein sollen.«
»Wir sollten die Jung trotzdem verhören. Wenn sie für Mittwoch ein hieb- und stichfestes Alibi hat, okay, dann habe ich mich geirrt und gebe ein schickes Abendessen aus. Wenn sie allerdings sagt, sie wäre an dem Abend allein zu Hause gewesen …«
»Und wie kam das Gift in Rosenzweigs Haus?« fragte Hellmer. »Darüber habe ich mir auch schon Gedanken gemacht. Rosenzweigs Pen war ja kaputt, wie wir wissen. Er hat also das Insulin mit in die Firma genommen, weil er es ja mehrmals am Tag spritzen mußte. Wie wir vermuten, hatte Rosenzweig am Tag seines Todes nicht nur mit der Neumann, sondern höchstwahrscheinlich auch noch mit einer andern Frau, nämlich Rita Jung, Geschlechtsverkehr. Was, wenn sie, als Rosenzweig vielleicht zur Toilette ging, die Flaschen vertauscht hat? Das würde erklären, wie das Fläschchen zu ihm nach Hause kam. Komm, wir fahren in die Bank und holen sie her.«
»Wenn das mal kein Fehler ist.«
»Quatsch! Warum sollte das ein Fehler sein? Wenn ich falsch liege, nehme ich die Schuld auf mich. Aber für mich ist sie im Moment die Hauptverdächtige. Sie kannte alle bisher ermordeten Männer, und sie kennt Fink, der vermutlich als letzter auf der Todesliste steht. Erst wenn auch
er
tot ist, ist ihre Rache vollendet.«
Sie standen auf, als Berger ins Büro kam. »Wo wollen Sie hin?« fragte er.
»In die Schönau Bank. Wir kommen gleich wieder und bringen Frau Jung mit, die uns ein paar Fragen beantworten wird. Wir
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