Letale Dosis
nur zu entspannen, doch in ihrem Kopf war ein einziges großes Durcheinander, das zu ordnen sie nicht vermochte. Sie trocknete sich ab, zog einen Slip und ein Trägerhemd an, setzte sich auf die Couch. Nach einer Weile griff sie zum Telefon, wählte die Nummer ihres Vaters. Er hob nach dem dritten Läuten ab.
»Hallo, Paps, hier ist Julia. Ich wollte mich einfach nur mal melden.«
»Du klingst etwas bedrückt«, sagte er. »Geht es dir nicht gut?«
»Du mußt auch immer alles merken, was?« sagte sie.
»Was ist los, meine Kleine?« fragte er. »Ärger im Beruf?«
»Das auch. Es kommen im Moment einfach zu viele Sachen auf einmal zusammen. Im Augenblick fühle ich mich einfach nur total leer. Das kennst du doch sicher auch, oder? Am liebsten würde ich alles hinschmeißen und auswandern, und nichts mehr mit der Polizei und mit Männern zu tun haben.«
»Aha, daher weht also der Wind. Ein Mann. Darf ich fragen, um wen es sich handelt?«
»Ich kenne oder besser kannte ihn seit gut einem halben Jahr …«
»Wieso kannte?« fragte Durants Vater.
»Er wurde gestern abend umgebracht. Es ist einfach alles zum Kotzen.«
»Dein Freund wurde ermordet? Warum?«
»Das Warum kenne ich nicht. Ich weiß nur, daß er mich die ganze Zeit über belogen hat. Er hat gesagt, er wäre verheiratet, wollte sich aber angeblich von seiner Frau scheiden lassen …«
»Wegen dir?«
»Nein, er hätte sich, wie er sagte, auch so von ihr trennen wollen. Er hat mir mal ein Foto von ihr und seinen Kindern gezeigt, aber jetzt mußte ich heute erfahren, daß er überhaupt nicht verheiratet war, und wir wissen bis jetzt auch nicht, wer die Frau auf dem Foto ist. Und dazu kommt, daß er Teil einer Mordserie ist, die im Augenblick in Frankfurt für ziemliches Aufsehen sorgt. Wir haben ja letzte Woche schon mal darüber gesprochen.«
»Du meinst die Giftmorde? Ja, ich habe gehört, daß noch einer umgebracht wurde. Einfach schrecklich.«
»Schrecklich ist eher milde ausgedrückt. Wir haben bis jetzt vier Tote, drei davon gehörten dieser
Kirche des Elohim
an, Werner dagegen hatte mit Religion überhaupt nichts am Hut. Er war Chefarzt einer großen Klinik hier in der Gegend. Und wir haben keine Ahnung, warum er sterben mußte. Es kommen auch so viele Personen in Frage, doch uns fehlt einfach ein Motiv. Wenn es sich ausschließlich um Morde an Kirchenmitgliedern handeln würde, könnte man unter Umständen einen Zusammenhang herstellen. Aber Werner? Er paßt überhaupt nicht in das Bild. Und besonders merkwürdig ist, daß gestern nacht, nachdem er umgebracht wurde, jemand bei mir angerufen und mir offensichtlich ein Band vorgespielt hat, auf dem nur Werners Stimme zu hören war, die allem Anschein nach kurz vor seinem Tod aufgenommen wurde. Ich bin natürlich gleich mit meinem Kollegen hingefahren und da haben wir die Bescherung gesehen. Und ich mußte feststellen, daß es außer mir noch eine andere Frau in seinem Leben gab, eine, die aber nicht mit ihm verheiratet war. Wir wissenaber inzwischen, daß der Mörder eine Frau ist. Mehr aber auch nicht. Wir gehen davon aus, daß sie sehr attraktiv ist, intelligent und daß ihre Opfer niemals vermuten würden, daß sie die sogenannte Schwarze Witwe ist. Sie geht unglaublich raffiniert vor und führt uns im wahrsten Sinn des Wortes an der Nase herum. Na ja, irgendwann werden wir sie schon kriegen.«
»Wie viele attraktive und intelligente Frauen hast du denn im Laufe deiner Ermittlungen bis jetzt kennengelernt?« fragte Durants Vater.
»Eine ganze Menge. Darunter Frauen von sehr hohem Niveau. Keine billigen Schlampen, sondern die meisten eben intelligent und auch selbstbewußt, zum Teil elegant, zum Teil aber auch eher sportlich, aber fast alle sehr gutaussehend. Und da wir bei der Täterin von einer Person zwischen Mitte Zwanzig bis Mitte Vierzig ausgehen, kommen natürlich eine ganze Reihe von Frauen in Frage. Und das ist unser Problem.«
»Kann ich verstehen. Nur helfen werde ich dir nicht können.«
»Das sollst du auch nicht, ich wollte es dir nur erzählen … Aber eine Kleinigkeit noch – du bist doch auch ein verkappter Kriminalist. Der erste Tote vom vergangenen Montag hat sich Insulin gespritzt, dem aber Schlangengift beigemischt war. Da wir jedoch Selbstmord ausschließen, stellt sich uns die Frage, wie das Gift in seinen Schreibtisch gelangt ist. Seine Frau scheidet mit ziemlicher Sicherheit aus, sie ist zwar auch attraktiv, aber psychisch kaum fähig, jemanden umzubringen, vor
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