Letale Dosis
gleichzeitig würde jeder wissen, was …«
»Und wie soll dieser Vertrag aussehen?« fragte sie kalt. »Wieviel willst du mir bieten, eine Million, zwei Millionen? … Ich pfeife auf dein verdammtes Geld, ich habe selbst genug davon. Du denkst wohl, jeder Mensch ist käuflich, doch du irrst. Es gibt auch andere, doch die hast du anscheinend noch nicht kennengelernt. Mich jedenfalls kannst du nicht kaufen. Und jetzt, Liebling, mach’s gut …«
»Warte noch, bitte!« schrie er verzweifelt. »Was wirst du tun?«
»Dich töten, ganz einfach.«
»Und wie?«
»Langsam, ganz, ganz langsam«, flüsterte sie, ihren Mund an sein Ohr gelegt. »Langsamer jedenfalls als Rosenzweig und Schönau. Aber leider immer noch zu schnell. Ich habe hin und her überlegt, wie ich deinen Tod möglichst qualvoll gestalten könnte, aber mir ist keine Lösung eingefallen. Doch ich denke, eine Viertelstunde, vielleicht auch eine halbe, reichen aus, das ganze Leben noch einmal in Ruhe Revue passieren zu lassen. Und ich werde deine verfluchte Angst genießen, jede Sekunde davon.«
Er wollte noch etwas sagen, spürte jedoch im selben Moment den Einstich in seinen Hals, die Flüssigkeit, die schnell in seinen Körper gespritzt wurde. Sie trat zurück, blickte ihn an, er preßte die Hand auf die Einstichstelle, sie packte die Spritze in ihre Tasche.
Er sprang auf, rannte zur Tür, doch sie war abgeschlossen. Sie setzte sich auf den Schreibtisch, verfolgte jeden seiner Schritte, das blanke Entsetzen in seinen Augen. Sie steckte sich eine neue Zigarette an, inhalierte, blies gelassen den Rauch aus.
»Du kommst hier nicht raus«, sagte sie kühl, »ich habe den Schlüssel an mich genommen. Dumm gelaufen, sag ich da nur. Und, spürst du schon was?«
»Was hast du mir gegeben?« fragte er mit schwerer Zunge; er stand mitten im Raum, seine Beine gehorchten nicht mehr, erschlug auf dem Boden auf. Seine Augen waren weit geöffnet, der Blick starr zur Decke gerichtet.
»Dendrotoxin«, sagte sie leise. »So dosiert, daß dein Tod etwas länger dauert als bei den andern. Aber er wird eintreten. Wenn ich die Zigarette zu Ende geraucht habe, wirst du keinen Finger mehr bewegen können. Ich werde mir noch eine anzünden, und du wirst immer noch leben. Und wenn die ausgeraucht ist, wird deine Atmung immer schwerer und langsamer werden, aber du wirst noch denken können. Leider wirst du mir nicht mehr sagen können, was du denkst, denn deine Zunge wird gelähmt sein. Und allmählich wird auch die Lähmung der Atemmuskulatur einsetzen, du wirst das Gefühl haben, ein Tonnengewicht läge auf deiner Brust, aber da ist nichts weiter als diese kleine Menge Gift, die es mir ermöglicht, diese Welt von dir zu befreien. Ruhe in Frieden, Karl-Heinz Fink. Ich werde selbstverständlich auch zu
deiner
Beerdigung kommen, das bin ich allein schon Laura schuldig. Ich denke, ich werde Lilien auf dein Grab legen. Lilien machen sich immer gut.«
Finks Todeskampf dauerte sechzehn Minuten. Sie hob die drei Kippen vom Boden auf, zog sich Handschuhe über, wischte den Schreibtisch ab und alles, was sie angefaßt hatte. Sie stieg über Fink hinweg, schloß die Tür auf, ließ sie offenstehen, öffnete die Seitentür, ließ den Schlüssel stecken. Sie blickte um sich, konnte niemanden entdecken und ging mit langsamen Schritten zu ihrem Wagen. Sie stieg ein, startete den Motor und fuhr in die Stadt. Um kurz vor acht betrat sie eine Boutique, probierte ein paar Kleider an, entschied sich für ein gelbes und ein rotes, zahlte mit Kreditkarte. Anschließend kehrte sie bei dem Spanier ein, bei dem sie mit Petrol einige Male gewesen war. Sie trank ein Glas Wein und bestellte ein Steak und Salat. Sie hatte es geschafft. Und niemand würde je hinter ihr grausames Geheimnis kommen. Sie lächelte.
Montag, 19.45 Uhr
Julia Durant hatte sich Badewasser einlaufen lassen, eine Dose Bier getrunken, drei oder vier Zigaretten geraucht, wie viele genau, wußte sie nicht mehr, zwei Scheiben Brot mit Käse und Salami gegessen, auch wenn sie überhaupt keinen Appetit hatte und dieser Tag ihr immer noch in den Knochen steckte. Zu schaffen machte ihr vor allem die Gewißheit, von Petrol so schändlich belogen worden zu sein. Immer und immer wieder stellte sie sich die gleiche Frage –
was mache ich falsch?
Sie fand keine Antwort darauf, stieg in die Badewanne, eine Dose Bier auf dem Wannenrand, den Aschenbecher daneben. Sie blieb eine halbe Stunde im Wasser, versuchte, an nichts zu denken, einfach
Weitere Kostenlose Bücher