Letale Dosis
mir«, murmelte die Kommissarin und lehnte sich zurück. Sie legte einen Finger auf den Mund, sah Hellmeran, dessen Blick auf die parkähnliche Anlage hinter dem Haus gerichtet war, die jetzt im abendlichen Dämmerlicht lag.
»Frau Schönau, ich muß Ihnen jetzt einige Fragen stellen, die zu stellen mir nicht leicht fällt, doch es muß sein.« Wieder wartete sie einen Moment ab, versuchte im Gesicht von Frau Schönau zu lesen, schließlich fragte sie: »Wie war Ihre Ehe? War sie harmonisch oder gab es öfter mal Streit?«
Frau Schönau senkte den Blick, ein kaum merkliches Lächeln huschte für Sekundenbruchteile über ihre Lippen. Ihre Nasenflügel bebten leicht, sie sagte: »Unsere Ehe? Wissen Sie, wir sind seit dreiundzwanzig Jahren verheiratet, wir haben uns in Paris kennengelernt, als ich noch Ballettänzerin war. Wir haben drei Kinder, und irgendwann kommt die Zeit, da hat man sich nicht mehr so viel zu sagen. Ich kenne keine Ehe, in der es nicht so ist. Man spricht miteinander, man fährt gemeinsam in Urlaub, und doch führt jeder irgendwie sein eigenes Leben. Harmonisch? Ich weiß nicht, ob unsere Ehe harmonisch war. Vielleicht, vielleicht auch nicht. Aber warum … Ich meine, was hat unser Privatleben …?«
»Darauf komme ich gleich zurück. Aber kann ich Ihren Worten entnehmen, daß Sie nicht sonderlich glücklich waren?«
»Sagen wir so, ich habe mich mit meinem Leben abgefunden. Ich habe alles, was ich brauche.«
»Dann verraten Sie mir doch bitte, ob es Anzeichen dafür gab, daß Ihr Mann eventuell eine außereheliche Beziehung hatte.«
Vivienne Schönau blickte Julia Durant direkt an, sie neigte leicht den Kopf zur Seite, für einige Sekunden herrschte Stille. Schließlich sagte sie: »Sie meinen, ob mein Mann eine Geliebte hatte?«
»Ja.«
»Wie Sie wissen, gehören wir der
Kirche des Elohim
an, und da ist es nicht recht, mit einem andern Menschen als dem Ehepartner sexuell zu verkehren.« Wieder bebten ihre Nasenflügel, siesenkte den Blick erneut, ihre Finger krampften sich wieder in das Taschentuch, sie erhob sich, stellte sich ans Fenster, den Rücken den Beamten zugewandt. Sie blickte hinaus in die Dämmerung, sagte: »Nein, es gehört sich nicht, einen Geliebten oder eine Geliebte zu haben. Aber es gibt leider auch in der Kirche Menschen, die es mit diesem Gebot nicht so genau nehmen.«
»Gehörte Ihr Mann zu diesen Menschen?« hakte Julia Durant nach.
Wieder verstrichen einige Sekunden, bis Vivienne Schönau, den Blick immer noch aus dem Fenster gerichtet, mit einem Anflug von Bitterkeit antwortete: »Ja. Ja, ich glaube schon. Aber ich kann es nicht beweisen. Ich konnte es nie beweisen, doch eine Frau spürt, wenn ihr Mann sie betrügt. Und ich mußte immer seinen Worten glauben, wenn er sagte, er wäre nur mir treu. Aber ich weiß, daß er gelogen hat. Ich wußte immer, wenn er eine andere Frau hatte. Ich habe es ihm angesehen … und ich habe es gerochen. Männer sind so dumm! Sie sind wie Elefanten, wenn sie fremdgehen. Frauen sind viel schlauer, wenn es darum geht, eine verbotene Beziehung geheimzuhalten. Warum auch immer.«
»Haben Sie in letzter Zeit das Gefühl gehabt, Ihr Mann hätte eine Geliebte?«
»Um ehrlich zu sein, ich habe aufgehört, mir darüber Gedanken zu machen. Obwohl ich es mir nicht vorstellen kann. Seine Krankheit, ich meine, es ist eher unwahrscheinlich, daß er ausgerechnet jetzt eine hatte. Aber ich würde nicht meine Hand dafür ins Feuer legen.« Sie drehte sich um, eine schlanke, wohlgeformte Frau von etwa einem Meter fünfundsechzig; sie stützte die Hände auf der Fensterbank ab. »Aber es gibt doch sicher einen Grund, warum Sie das fragen, oder?«
»Ja, den gibt es. Wir haben nämlich einen Zettel an seinem Geschenk gefunden. Darauf steht,
Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Liebling. Das sind die schönsten Exemplare, die ich für Dein Aquarium auftreiben konnte. Ich hoffe, sie gefallen Dir.
Keine Unterschrift, der Zettel wurde mit Maschine geschrieben. Haben Sie Ihren Mann jemals Liebling genannt?«
»Non, jamais. Niemals. Früher, vor vielen Jahren, als wir noch eine wirklich glückliche Ehe führten, habe ich ihn manchmal ›cheri‹ genannt, aber das ist lange her. Später habe ich ihn nur noch mit seinem Vornamen angeredet. Er war einfach nicht mehr mein ›cheri‹. Er war nur noch Walter. Es tut mir leid, wenn ich so von meinem Mann spreche, aber warum soll ich jetzt lügen? Früher oder später würden Sie sowieso herausfinden, daß
Weitere Kostenlose Bücher