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Lettie Peppercorn und der Schneehaendler

Lettie Peppercorn und der Schneehaendler

Titel: Lettie Peppercorn und der Schneehaendler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Gayton
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aufzuheben.
    Zurück im Labor tat sie jede Menge verlorener Gegenstände auf: Eine grüne Murmel und ein paar Gummibänder tauchten aus der Ritze eines Sessels auf, dazu ein Malpinsel mit Seidenborsten, eine Silbermünze und ein Kompass. Lettie nahm die Nadel aus dem Kompass und die Seidenborsten des Pinsels. Alles andere konnte sie nicht gebrauchen. Wenn sie zu viele überflüssige Sachen hinzufügte, würde die Alchemie nicht funktionieren.
    Damit hatte sie den Boden abgegrast und konzentrierte sich nun auf die Decke.
    An einer Sache blieb ihr Blick sofort hängen. Lettie holte eine alte Trittleiter, stieg darauf und pflückte einen glitzernden Splitter aus dem Eiszapfen-Kerzenleuchter über ihrem Kopf. Der Splitter war wunderschön und hart wie Diamant. Lettie ließ ihn in ihre Tasche gleiten und sprang wieder herunter.
    Aber irgendeine Zutat fehlte noch, das spürte sie. Was konnte es nur sein? Es musste etwas mit der Glasglocke zu tun haben.
    »Musik!«, rief Lettie plötzlich aus. »Augenblick, das haben wir gleich!«
    Jetzt wusste Lettie, dass sie alle Substanzen beieinander hatte und es Zeit wurde, sie zu mischen. Sie ging wieder zum Kessel, in dem bereits das Wasser köchelte. Noah ließ den Blasebalg keuchen.
    »Ich hab jetzt alles«, meldete Lettie. »Nun geht es ans Mischen.«
    Mit der Kompassnadel fuhr sie von Norden nach Osten nach Süden und nach Westen durchs Wasser und versuchte die kleinen Wellen zu Spiralen zusammenzunähen. Sie nähte und nähte, bis ihre Finger schmerzten und sie aufhören musste.
    »Das Wasser bewegt sich von allein!«, sagte Noah ehrfürchtig. »Wie kann das denn sein?«
    »Ich hab es zu Spiralen vernäht«, erklärte Lettie. »Von Norden nach Osten, Süden und Westen.«
    Der Kessel ähnelte inzwischen einem kleinen Whirlpool. Jetzt wurde es Zeit für Letties nächste Zutat. Sie nahm die Nadel und pikte ein winziges Loch in die Glasglocke.
    »Sing hier hinein«, sagte sie zu Noah. »Irgendein Lied, das du kennst und das sich richtig anfühlt.«
    Während er darüber nachdachte, was er singen sollte, nahm Lettie die Seidenborsten aus der Tasche und steckte sie ins Innere der Glasglocke. Sie würden das Lied aufsaugen und es dort festhalten, das spürte Lettie instinktiv.
    »Bist du bereit?«, fragte sie und hielt Noah das Glöckchen hin.
    Scheu begann Noah zu singen. Es war die hundertste Strophe eines Liedes, das auch Lettie kannte. Sie hatte es einige Tage zuvor gehört, draußen auf der Straße vor der Kneipe Zur Muschel vor dem Sturm.
    Die Albatrosfrau flog zum Himmelszelt
    und sang ihm zum Abschied ganz scheu:
    »Das Meer wird hinfortspülen die ganze Welt,
    doch aufersteht sie danach ganz neu.
    Und oh! Sei du selbst dir nur treu.
    Deinem Ich sei du alle Zeit treu!»
    Als Noah fertig war, hallte seine zarte Stimme noch eine Weile nach. Das kleine Loch deckte er mit dem Daumen ab.
    Als Lettie ihm ein Zeichen gab, hielt er das Glöckchen über den Kessel und ließ es dann hineinfallen.
    »Das wird dein Lied im Wasser verteilen«, erklärte Lettie, während die Glocke bis zum Kesselboden hinabtrudelte.
    »Tatsächlich?« Noah war verwirrt.
    »Aber sicher! Und jetzt halte das Feuer am Lodern!«
    Und so machte sich Noah am Blasebalg zu schaffen, während Lettie die Lederbucheinbände einen nach dem anderen durch den Kessel schwenkte, bis sie ganz weich und leblos waren. Dann warf sie sie beiseite.
    »Wie lange noch?«, keuchte Noah.
    »Wir sind fast fertig. Allerdings fehlt noch etwas, ich weiß nur nicht, was …«
    Lettie fuhr sich durch alle Taschen und … autsch! … stach sich an dem Kronleuchter-Splitter. Sie sog die Luft durch die Zähne, steckte den Daumen in den Mund und holte ihn dann wieder heraus, um die Wunde zu betrachten. Ein großer Blutstropfen glänzte auf ihrer Daumenspitze. Und bevor Lettie etwas tun konnte, fiel er in den Kessel und färbte das Wasser rubinrot. Sofort wirbelte das Wasser noch schneller herum. Immer schneller und schneller, bis es nur noch ein schwindelerregender Strudel war.
    »Oh nein!«, rief Noah. »Müssen wir jetzt von vorne anfangen?«
    »Nein, ich glaube eher, wir brauchen auch noch einen Tropfen von dir.«
    »Aber warum?«
    »Überleg doch mal, Noah. In diesem Trank muss auch etwas von uns selbst drinstecken. Sonst funktioniert er vielleicht zu gut, und wir sind nie wieder Lettie und Noah … weil wir vergessen, dass wir jemals Kinder waren!«
    »Dann würden wir vielleicht nicht mehr dran denken, dass wir den Schnee

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