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Lettie Peppercorn und der Schneehaendler

Lettie Peppercorn und der Schneehaendler

Titel: Lettie Peppercorn und der Schneehaendler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Gayton
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am Boden. Die Handschuhe, die Brille, der blaue Mantel – alles nur noch leblose Kleidungsstücke, mit brauner Schnur zusammengehalten. Aber keine Mama.
    Wo war sie? Aus dem Fenster, über dem Eisberg? Oder befanden sich Teile von ihr immer noch hier drin? Lettie kniff die Augen fest zusammen und versuchte ihre Mutter zu erspüren. Sie wartete auf den Zug an ihrer Hand, aber der Wind zeigte ihr keine Richtung an. Er zog und zerrte zwar an ihr, aber mal hierhin, mal dorthin, mal im Kreis herum. Es gab keine eindeutige Richtung, kein Ziel. Keine Mama.
    Sie war weg.
    Lettie sah zu Blüstav hoch, der sich inzwischen wieder vom Boden abgestoßen hatte und ein Stück über ihr schwebte. »Warum?«, schrie sie.
    Sie sah die Antwort in seinen Augen, die wie Münzen glänzten. Ja, er war aufgetaut, aber er hatte sich nicht wirklich verändert. Er ruderte mit den Händen durch die Luft und katapultierte sich durchs Fenster nach draußen. Noah hechtete nach den Ranken, aber sie entglitten ihm zu schnell. Blüstav war frei.
    »Das war meine Mama!«, rief Lettie hinter ihm her, die Stimme ein heiseres Schluchzen. »Das war meine Mama!«    
    Noah und Lettie stürzten zum Fenster. Blüstav driftete hinaus und war weg. Lettie fühlte sich, als steckten mehrere Angelhaken in ihrem Herzen, denn als sie Blüstav davonschweben sah, war ihr, als würde ihr jemand das Herz rausreißen. Es war schlimmer als alles, was sie je gefühlt hatte. Blüstav saugte aus ihr all die Hoffnung, die sie immer, tief verwurzelt, in sich getragen hatte.
    Jetzt, da ihre Mutter und die Schneewolke verloren waren, gab es keine Hoffnung mehr.
    Lettie saß auf der Spitze eines Eisbergs fest.
    »Worauf?«, fragte sie Noah unter Tränen. »Worauf soll ich jetzt noch hoffen?«
    Noah wusste keine Antwort.
    Teresa konnte sie nicht länger führen.
    Lettie starrte durch das Fenster, als wartete sie darauf, dass am Horizont jemand auftauchen würde.
    Bitte, lieber Gott ,betete sie. Schick mir jemanden. Irgendjemanden.
    Und dann erblickte sie sie.
    »Irgendjemanden, aber nicht die!«, schrie sie verzweifelt. »Doch nicht die!«
    Sie griff nach ihrem Fernrohr, fuhr es aus und schaute hindurch. Feuer und Rauch spuckend keuchte die Blutkübel auf den Eisberg zu.
    Wie hatten die alten Schabracken sie bloß den ganzen Weg durch die Wolken bis zum Eisberg aufspüren können? Das Geheimnis lag in der Sucherbrille der Glotzerin, etwas anderes konnte es nicht sein! Lettie betrachtete sie durch das Fernrohr. Sie stand an Deck, das Haar noch immer durchweicht (wahrscheinlich von der Eintunk-Prozedur, der das Walross sie unterzogen hatte). Ihre Brille hatten die Walfänger offenbar mit Schnur und Spucke wieder zusammengeklebt. Zwischen der Glotzerin und dem Walross, das mit Schweinsäuglein nach vorn starrte, war ein erheblicher Abstand.
    Plötzlich sprang die Glotzerin auf und ab und zeigte hektisch auf den schwebenden Blüstav. Tranmann Johnson zielte mit seiner Harpunenwaffe auf den Alchemisten.
    »Oh nein!«, stöhnte Lettie.
    »Die Harpune wird Blüstav aufspießen!«, sagte Noah, und Lettie verzog das Gesicht. Egal was Blüstav ihnen angetan hatte – so etwas Grausames hätte sie niemandem wünschen können.
    »Ich kann gar nicht hinschauen!« Lettie schloss die Augen, als Tranmann Johnson den Abzug drückte.
    »Daneben!«, vermeldete Noah, und Lettie machte die Augen wieder auf. Die Harpune flog weit an Blüstav vorbei und bohrte sich hinter ihm ins Meer. Der Alchemist schwamm so schnell wie möglich durch die Luft, wippte auf und nieder, suchte die Sicherheit einer nahen Wolke. Verzweifelt schlug er mit Armen und Beinen um sich, aber seine Bewegungen wurden von den Ranken behindert, die immer noch um seine Gliedmaßen geschlungen waren.
    »Er wird es schaffen«, sagte Lettie und sah wieder zur Blutkübel hin. »Die sind darauf trainiert, Dinge aus dem Meer zu fischen, nicht aus dem Himmel.«
    Als Tranmann Johnson eine zweite Harpune lud, schubste die Glotzerin ihn mit dem Ellbogen beiseite, nahm ihm die Waffe aus der Hand und zielte selbst.
    » Sie wird ihn nicht verfehlen«, sagte Noah. »Nicht mit ihrer Sucherbrille.«
    Rauch quoll aus dem Waffenlauf, die Harpune schoss mitsamt dem daran befestigten Seil hoch in die Luft, ein riesiger eiserner Pfeil, der genau auf Blüstav zuraste. Je höher sie kam, desto langsamer wurde sie. Keine anderthalb Meter unter den zappelnden Füßen des Alchemisten blieb sie stehen und kippte wieder nach unten.
    »Sie hat ihn

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