Letzte Ausfahrt Neckartal
Abrechnung unter Drogendealern handeln.«
»Wegen was?« Treidler wies den Gedanken weit von sich. »Wegen dem bisschen Gras? Das hab ich früher noch vor dem Frühstück geraucht.«
»Oder schlicht um eine Beziehungstat«, redete Melchior unbeirrt weiter.
»Wie lange ist Ihre Liste mit Mordtheorien?«
Als ob sie ihm nicht zugehört hätte, fuhr Melchior fort: »Wir sollten abwarten, bis wir mehr über die Tatwaffe wissen.«
»Ach, hier sind Sie.« Jan Schmelzer kam direkt auf sie zu und winkte mit einer Liste. Etwas außer Atem zupfte er seine Krawatte zurecht. »Ich habe Sie überall gesucht.«
»Jetzt haben Sie uns ja gefunden«, gab Treidler zurück.
»Das sind alle. Die komplette Nachtschicht – mit Adressen und Telefonnummern. So wie Sie es wollten.« Schmelzer schob ihm das Blatt über den Tisch und sah ihn erwartungsvoll an. »Vier haben gestern Nacht in der Raststätte und Küche gearbeitet. Der Herr Albrecht vorne in der Tankstelle.«
Treidler überflog die Liste. Fein säuberlich waren darauf die fünf Namen in Tabellenform aufgeführt. Alle Mitarbeiter wohnten in der näheren Umgebung. Er faltete das Papier zusammen und verstaute es in der Hosentasche. »Ist noch jemand da?«
Schmelzer schüttelte den Kopf. »Nein, niemand mehr. Um halb acht war Schichtwechsel.«
Treidler nickte stumm und sah wieder nach draußen. Inzwischen lag der Deckel auf dem Blechsarg. Doch die Männer in den hellgrauen Arbeitskitteln hatten ihn nicht völlig schließen können. Aus einem Spalt ragte die Hand des Toten, als ob sie noch immer nach dem Lenkrad greifen würde.
4
Teambesprechung, wenn er das Wort schon hörte. Treidler hasste jede Art von Besprechung. Besonders diejenigen, bei denen er mit Hauptkommissar Bernhard Winkler, seinem Lieblingsfeind bei der Rottweiler Polizei, in einem Raum sitzen musste. Sein werter Kollege und Anwärter auf den Posten des Kommissariatsleiters hatte in einem Anflug von Geltungssucht dafür gesorgt, dass regelmäßig Besprechungen zwischen den Einsatzgruppen der Rottweiler Kriminalpolizei stattfanden. Und so trafen sich einmal pro Woche die Teams Treidler/Melchior, Winkler/Borchert sowie die beiden Halbtagsschreibkräfte Ursula Lohrmann und Anita Schober unter den Augen des Noch-Kommissariatsleiters Kriminalrat Petersen, genannt ›der Graue‹. Für Treidler waren Teambesprechungen nichts als eine pure Verschwendung von Zeit und Ressourcen. Doch Petersen hatte Winklers Vorschlag zugestimmt, deshalb blieb ihm nichts weiter übrig, als den Blödsinn mitzumachen. Alles andere hätte ihm der Graue vermutlich als eine Art Befehlsverweigerung ausgelegt.
Diesen Nachmittag gab es Besprechungsbedarf – jedenfalls läutete so Petersen die wöchentliche Besprechung ein. Melchior berichtete vom Mordfall auf der Rastanlage. Sie hob hervor, dass keinerlei Anhaltspunkte über Täter und Tathintergründe existierten und sie sich deshalb zunächst auf die Aussagen des Personals konzentrierten. Sobald die Ergebnisse der KTU und das rechtsmedizinische Gutachten vorlagen, könnten die eigentlichen Ermittlungen beginnen. Dies würde allerdings erst in den kommenden Tagen der Fall sein.
»Danke, Frau Melchior.« Petersen wandte sich an das Team Winkler/Borchert. »Welche Fälle liegen derzeit noch bei uns an?«
»Wir bearbeiten den Raubüberfall auf den Supermarkt in Zimmern und den Rauschgiftfund unten am Bahnhof«, erwiderte Borchert fast zu schnell. »Wir haben also für die kommenden Tage gut zu tun.«
Petersen nickte und suchte Winklers Blick, der sofort eine abwehrende Haltung einnahm. »Ich bin Donnerstag und Freitag auf einem Lehrgang. Sie wissen schon – über Mitarbeiterführung und so …«
»Melchior und Treidler hatten dieses Wochenende Bereitschaft und somit morgen eigentlich einen freien Tag.« Petersen sah die beiden an, wohl in der Hoffnung, dass ihm einer widersprach. »Wir alle wissen, dass die ersten achtundvierzig Stunden nach einem Mordfall entscheidend für die Aufklärung sein können. Aber ich denke, wenn die Befragung der Mitarbeiter der Raststätte keine neuen Erkenntnisse liefert, sollten wir guten Gewissens KTU und Rechtsmedizin abwarten. Dann können Sie morgen zu Hause bleiben. Allerdings zähle ich darauf, dass Sie sich zur Verfügung halten.«
Erwartungsgemäß entschied Petersen, dass Treidler und Melchior ab dem darauffolgenden Tag den Fall übernehmen sollten, und beendete die Besprechung.
Treidler, der die ganzen zwei Stunden kaum ein Wort gesagt
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