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Letzte Ausfahrt Neckartal

Letzte Ausfahrt Neckartal

Titel: Letzte Ausfahrt Neckartal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Scheurer
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Gesichtsausdruck, der Treidler jede Illusion nahm, erwünscht zu sein.
    »Haben Sie reserviert?«, brummte Igor, ohne die Lippen dabei nennenswert zu bewegen.
    »Haben wir.« Melchior nickte. »Zwei Einzelzimmer. Carina Melchior und Wolfgang Treidler.«
    Mit keiner Regung deutete Igor an, dass er verstanden hatte. Stattdessen verzog er sich hinter einen Computermonitor und tippte auf der Tastatur herum. Wenig später kam er zurück und schob einen Block sowie einen Stift über den Tresen. »Füllen Sie das aus«, sagte er, drehte sich um und verschwand ohne ein weiteres Wort in einem Zimmer hinter der Rezeption.
    »Nett hier.« Treidler blickte einem Pärchen nach, das aus dem Aufzug trat und hoch erhobenen Hauptes an der Rezeption vorbei zum Ausgang stolzierte. Der Mann im schwarzen Nadelstreifenzug und roter Fliege hatte das Rentenalter vermutlich schon vor Jahren überschritten. Doch trotz der feinen und zweifellos teuren Kleidung verströmte er nicht den Hauch von Eleganz. Mit seiner untersetzten Statur und dem wiegenden Gang wirkte er eher unbeholfen. Sofern es nur nach dem Alter ginge, könnte seine Begleiterin mit der wasserstoffblonden Mähne, dem imposanten Ohrgehänge und dem auffälligen Make-up seine jüngste Tochter oder gar Enkelin sein. Sie trug einen Swinger-Mantel aus beigefarbenem Pelz mit braunem Kragen, der direkt unterhalb ihrer Pobacken aufhörte. Den Rest der erstaunlich langen Beine teilten sich eine feinmaschige Netzstrumpfhose und hochhackige schwarze Lederstiefel.
    »Sie werden es die nächsten ein oder zwei Nächte schon überleben.« Melchior hielt kurz inne, um wie Treidler dem Pärchen nachzuschauen. Sie rollte amüsiert mit den Augen und wandte sich wieder dem Formular zu. »Für Ihre Unterhaltung scheint jedenfalls bestens gesorgt zu sein.« Sie schob ihm den Block zu und grinste. »Und falls Sie sich losreißen können – hier bitte Ihren Namen und Ihre Anschrift eintragen.«
    Treidler zog den Block zu sich. Als er den Stift zur Hand nahm, klingelte ein Telefon. Es dauerte einen Moment, bis er realisierte, dass das Klingeln von seinem Mobiltelefon kam. Er legte den Stift beiseite, klopfte seine Kleidung ab und fand das Gerät schließlich in der Brusttasche. Genau in dem Augenblick, als er das Gespräch entgegennehmen wollte, verstummte das Klingeln, und das Display wurde schlagartig schwarz.
    »Sieht so aus, als ob der Akku von diesem Scheißding schon wieder leer ist.« Mit einem Schulterzucken steckte er das Gerät zurück.
    »Da kann man was dagegen tun. Meines zum Beispiel muss man ab und zu laden«, entgegnete Melchior.
    »Ach ja? Stellen Sie sich vor, meines auch.«
    »Und warum tun Sie es nicht?«
    »Ich musste mich seelisch und moralisch auf den Flug vorbereiten. Das Ladegerät fürs Handy hab ich vergessen.«
    »Haben Sie wenigstens die Nummer erkannt?«
    »Irgendwas mit Rottweil. Könnte die Dienststelle gewesen sein. Vielleicht, ähm, können Sie das kurz checken? Sagt man das so?«
    Melchior zog ihr Telefon aus der Jackentasche. Noch bevor sie eine Taste drücken konnte, klingelte auch dieses, und sie nahm das Gespräch entgegen.
    Während Melchior telefonierte, füllte Treidler den Rest des Formulars aus, schob den Block beiseite und drehte sich zu ihr. Erst jetzt fiel ihm auf, dass sie außer ihrem Namen noch kein einziges Wort gesagt hatte, sondern nur angespannt lauschte. Und der ernste Ausdruck in ihren Augen verriet, dass es sie einige Mühe kostete, das Gehörte zu verarbeiten.
    »Wer war das?«, fragte er, nachdem sie das Mobiltelefon vom Ohr genommen hatte und es weiter anstarrte, als ob es ein Fremdkörper wäre.
    »Lohrmann aus dem Sekretariat«, entgegnete Melchior.
    »War sie es, die vorhin bei mir angerufen hat?«
    Sie antwortete mit einem Kopfnicken und schaute zu ihm auf.
    »Und? Was wollte sie?«, fragte Treidler und zwang sich, nicht allzu ungeduldig zu klingen.
    »Sie haben Mehmet Bayram.«
    »Wo ist er?«
    »In Konstanz – er ist tot.«
    »Tot?« Im ersten Moment dachte Treidler, er habe sich verhört.
    Melchior nickte ein weiteres Mal. »Das Einsatzkommando hat zwei Schüsse abgegeben. Einer davon war tödlich.«
    »Einer davon war tödlich«, wiederholte Treidler. Seine eigene Stimme klang weit entfernt.
    »Er wollte wohl die Schweizer Grenze überqueren und sich seiner Verhaftung durch Flucht entziehen. Zuvor war er in Villingen von einer Überwachungskamera gefilmt worden, als er in einem Kaufhaus Kleidung gestohlen hat. Die Polizei dort hat ihn

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