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Letzte Ausfahrt Neckartal

Letzte Ausfahrt Neckartal

Titel: Letzte Ausfahrt Neckartal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Scheurer
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Gebühren für die Kontoführung belastet.«
    »Klar kenne ich den.«
    »Gut.« Stankowitz nickte. »Wissen Sie noch, was Sie letzten Monat an Gebühren und Sollzinsen bezahlt haben?«
    »Bestimmt zu viel. Aber genau weiß ich es nicht.«
    »Würde es Ihnen auffallen, wenn jeden Monat zwei, vier oder fünf Cent mehr Zinsen und Gebühren von Ihrem Konto abgebucht würden?«
    Treidler schüttelte den Kopf. »Bestimmt nicht.«
    »Sehen Sie, und das genau ist die Funktion des Virus. Es hängt sich an das Abrechnungsprogramm einer Bank und verändert die monatlichen Buchungen so, dass ein paar lausige Cent der Kontoführungsgebühren auf einem anderen Konto landen.«
    »Und diese Banken sind die, die in der Konfigurationsdatei mit ihrer IP -Adresse aufgelistet sind, richtig?« Melchior suchte Stankowitz’ Blick.
    Der nickte ihr zu. »Und die zweite Liste hält die Adressen der Zielbanken vor.«
    »Und das fällt niemandem auf?«, fragte Treidler.
    »Heutzutage funktionieren die monatlichen Abrechnungsläufe in den Banken vollautomatisch ohne Zutun eines Menschen. Das regeln die Computer unter sich – niemand schaut ihnen dabei über die Schulter.«
    Treidler stieß einen anerkennenden Pfiff aus. »Da kommt bestimmt schnell ein hübsches Sümmchen zusammen.«
    »Darauf können Sie sich verlassen. Ich bin einfach mal von fünfzig Millionen Giro- und anderen Konten in Deutschland ausgegangen. Bei zwei Cent trudeln jeden Monat eine Million Euro auf dem Konto des Programmierers ein. Und das ist nur eine vorsichtige Schätzung. Das Programm hält die IP -Adressen vieler europäischen Banken vor. Um das Virus auf andere Banken loszulassen, braucht es nur eine andere Konfigurationsdatei.«
    »Wie kommt das Virus in die Rechner der Banken?«, fragte Melchior. »Das dürfte doch mindestens so schwierig sein wie die Programmierung selbst.«
    »Genau, Carina.« Stankowitz zog den USB -Stick vom Computer und reichte ihn Melchior. »Das ist die einzige Frage, die ich bisher nicht klären konnte.«
    »Und wie geht’s weiter?« Sie verstaute den Stick in ihrer Hosentasche.
    »Ich kann euch nur eine Skizze geben, das Bild müsst ihr schon selbst fertigmalen. Aber in der Zwischenzeit habe ich an den richtigen Stellen die richtigen Fragen gestellt. Bis morgen weiß ich, welche Möglichkeiten es gibt, das Virus an die Software einer Bank dranzuhängen.«
    »Wann fliegt ihr beiden eigentlich wieder zurück?«, erkundigte sich Stankowitz, als sie eine gute Stunde später bei Spaghetti mit reichlich Knoblauch und scharfer Tomatensoße am Küchentisch saßen. Die Chili-Gewürzmischung war schärfer, als Treidler beim Einkauf angenommen hatte.
    »Hört sich so an, als ob du uns loswerden willst«, entgegnete Melchior mit einem Augenzwinkern und schaute zu Treidler. Als er nicht antwortete, zuckte sie mit den Schultern. »Wir haben den Rückflug noch nicht gebucht. Vielleicht morgen oder übermorgen.«
    Stankowitz tat ihre Bemerkung mit einem Lachen ab. »Ich will dich nicht loswerden, Carina. Ich wollte nur wissen, ob ihr für den morgigen Tag schon was geplant habt.«
    Wieder blickte Melchior zu Treidler. »Nein, bisher nicht. Oder haben Sie was vor?«
    Treidler schüttelte den Kopf, obwohl er im Grunde liebend gern nach Hause gefahren wäre.
    »Waren Sie schon mal hier in Berlin?«, fragte Stankowitz.
    »Nur einmal«, entgegnete Treidler und konnte ein kurzes Lachen nicht unterdrücken. »1985 zur Klassenfahrt. Damals gab es noch richtig Zoff an der Grenze. Wir mussten ewig warten, bis sie uns endlich reingelassen haben.«
    »Das hoffe ich doch. Als Klassenfeind sollte man jederzeit mit Schikanen rechnen«, sagte Stankowitz und wiegte belustigt den Kopf hin und her.
    »Ach, ich habe auch ganz positive Erfahrungen gemacht. Auf der Rückfahrt hatten wir auf der Transitautobahn an einer Raststätte eine Mitschülerin vergessen. Die Volkspolizei war so nett und hat sie aufgesammelt. Die Beamten sind uns nachgefahren, hielten den Bus an und ließen sie ohne großes Aufsehen einsteigen.«
    »Da haben die beiden Vopos doch glatt die Annäherung zwischen Ost und West vorweggenommen.« Stankowitz grinste und rückte sich auf dem Rollstuhl zurecht. »In den letzten dreißig Jahren hat sich Berlin grundlegend verändert. Falls Sie nichts Besseres vorhaben, sollten Sie sich wirklich die Zeit für einen kleinen Ausflug in die Stadt nehmen.«
    Treidler wusste im ersten Moment nicht, was er darauf erwidern sollte. Den Touristen zu spielen, gehörte nicht

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