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Letzte Ausfahrt Neckartal

Letzte Ausfahrt Neckartal

Titel: Letzte Ausfahrt Neckartal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Scheurer
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durch unseren Fahndungsaufruf identifizieren können.«
    Treidlers Mund fühlte sich an wie ausgetrocknet. Sein Blut pochte in den Schläfen. »Das kann ich nicht glauben.«
    »Sie sagt, es kam gerade aus Donaueschingen über den Fernschreiber.«
    »Verflucht noch mal. Wie konnte so etwas passieren?«
    Melchior antwortete nicht.
    »Auch das SEK kann nicht einfach auf einen unbewaffneten Mann schießen«, sagte Treidler. »So viel sollten die im Kopf haben.«
    »Ich habe keine Ahnung, wie das geschehen konnte.« Melchior schüttelte den Kopf. »Wirklich keine Ahnung.«
    Eine knappe Stunde nachdem sie ihre Hotelzimmer im zweiten Stock bezogen hatten, trafen sich Treidler und Melchior in der Lobby. Treidler hatte gut und gerne zwanzig Minuten lang heiß geduscht, sich rasiert und frische Kleidung angezogen. Igor hinter der Rezeption blickte noch eine Spur ernster drein, nahm aber kommentarlos die Schlüssel entgegen, als sie das Haus verließen. Sie kauften im nahen Supermarkt Nudeln, Tomaten, Parmesankäse. Treidler sorgte für eine üppige Grundausstattung an Gewürzen.
    Gegen sieben klingelte Melchior wieder an der Tür im Parterre des Gebäudes mit der Nummer einhundertachtundvierzig.
    Stankowitz öffnete sofort und begrüßte sie gut gelaunt. »Kommt mit, kommt mit. Ich hab’s gefunden.«
    »Was hast du gefunden?« Mit der Einkaufstüte unter dem Arm folgte Melchior dem Rollstuhl in ihr ehemaliges Kinderzimmer.
    Treidler fand sich ebenfalls vor dem Schreibtisch ein, der in der Zwischenzeit noch überfüllter aussah. Einige Ausdrucke lagen wild durcheinander, als ob sie der Wind verstreut hätte.
    Stankowitz machte eine Bewegung zum Computermonitor hin. »Das hier.«
    Treidler versuchte, das Besondere auf dem Bildschirm zu erkennen, doch er bemerkte nur, dass Stankowitz fast alle Fenster von vorhin geschlossen hatte. Bis auf zwei. Ein kleineres lag im Hintergrund und war vollkommen schwarz, während sich im größeren Fenster Dutzende Zeilen fein säuberlich untereinanderreihten, als ob sie eine Tabelle darstellten. Treidler las englische Begriffe, Ziffern und einzelne Buchstaben. Der Sinn hinter den Zeilen erschloss sich ihm allerdings nicht.
    »Das hier ist der Quellcode«, sagte Stankowitz nicht ohne Stolz. »Das Programm ist nicht besonders kompliziert, aber einfach genial.«
    »Und der Schlüssel?« Melchior stellte die Einkaufstüte zwischen zwei Papierstapel und den Drucker auf den letzten freien Platz, den der Schreibtisch inzwischen noch bot.
    »Dass ich da nicht schneller draufgekommen bin.« Er tippte sich an die Stirn und schüttelte den Kopf, als würde er sich über eine Dummheit wundern. »Der Maschinencode selbst war der Schüssel. Ihr wisst schon, die zweite Byte-Folge für die XOR -Verknüpfung.«
    »Und was haben Sie herausgefunden?«, fragte Treidler. »Aber bitte erklären Sie es so, dass auch ich es verstehe.«
    Stankowitz schaute belustigt zu ihm auf. »Das sollte ich hinbekommen – solange ich nicht schwäbisch sprechen muss.« Er verzog kurz den Mund zu einem Grinsen. »Also, das Programm ist eine Art Computervirus. Genauer gesagt ein Dateivirus, der sich an ausführbare Dateien oder Programmbibliotheken hängt. Dabei manipuliert dieses Virus die Wirtsdatei so, dass es beim Programmstart mit aufgerufen wird und seinen eigenen Code ausführt. Einmal gestartet, kann es Veränderungen vornehmen, die der Anwender nicht kontrollieren kann und nicht einmal mitbekommt. Im Prinzip wie die Viren im richtigen Leben.«
    »Das ist nichts Besonderes. Das machen alle Computerviren so«, warf Melchior ein.
    Stankowitz lächelte weise. »Richtig, Carina, das machen alle so. Aber im Gegensatz zu den klassischen Viren versucht dieses Virus hier nicht sich selbst weiterzuverbreiten, sondern verwendet einen Großteil des Codes dafür, um sich zu verstecken. Und das hat mich neugierig gemacht.«
    »Schön und gut«, sagte Treidler. »Aber es ist doch sinnlos. Sich quasi unsichtbar an andere Programme zu hängen ist ja toll, aber es bringt dem Programmierer doch zuerst einmal überhaupt nichts. Oder irre ich mich da?«
    Stankowitz blickte Treidler an, als stünde ein kleines Kind vor ihm. »Wann haben Sie das letzte Mal Ihren Kontoauszug richtig angeschaut?«
    »Kontoauszug?« Treidler sah zu Melchior. Die zuckte mit den Schultern. Vermutlich schaute er genauso verdutzt drein wie sie.
    »Ja. Ich meine dieses monatliche Blatt Papier, auf dem die Bank Ihnen den Saldo Ihres Girokontos mitteilt und zugleich die

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