Letzte Ausfahrt Neckartal
Lächeln.
Fotoblitze flammten auf. Verdammte Zeitungsidioten. Sie stürzten sich auf ihn wie Geier. Treidler riss instinktiv die Hand vor sein Gesicht. Diese Aufnahmen würden vermutlich nie in das Album mit seinen Lieblingsbildern wandern.
»Herr Hauptkommissar«, hörte er Paschls Stimme und nahm den Arm herunter. »Nehmen Sie doch bitte Platz. In der letzten Reihe sollte noch was frei sein.«
Verfluchtes Arschloch. Demonstrativ lehnte sich Treidler mit verschränkten Armen an die Wand.
»Ich denke, wir können unsere Pressekonferenz jetzt fortsetzen.« Wieder reckte Paschl seinen glatt rasierten Schädel in die Höhe. »Wie gesagt, das Bundeskriminalamt hat das Telefongespräch mit dem Mordfall an der Rastanlage Neckartal in einen geografischen Zusammenhang gebracht. Unser nächster Schritt war dann, die beiden Gesprächsteilnehmer zu ermitteln. Mit einem sogenannten ›Voiceprint‹ konnten wir schließlich einen zweiundzwanzigjährigen Deutschtürken aus Rottweil namens Mehmet Bayram als Anrufer identifizieren.«
Der letzte Satz war eine glatte Lüge. Mehmet Bayram war nicht durch einen beschissenen »Voiceprint« identifiziert worden. Treidler persönlich hatte ihn auf der Aufzeichnung des Gesprächs erkannt. Aber genau das war gleichzeitig sein größter Fehler in diesem Fall gewesen, der den jungen Türken das Leben gekostet hatte. Vermutlich würde ihn das noch lange belasten.
»Der Tatverdächtige wollte sich in Konstanz bei seiner Flucht in die Schweiz dem Zugriff des Spezialeinsatzkommandos entziehen und wurde erschossen. Hinter mir sehen Sie zwei Fotos. Das von Ihnen aus gesehen rechte Bild zeigt Bayram.« Ohne hinzuschauen, deutete Paschl mit dem Daumen auf die Tafeln. »Es war nur eine Frage der Zeit, bis wir alle SIM -Karten ermittelt hatten, die zum Tatzeitpunkt an den relevanten Basisstationen angemeldet waren. Als wir über die Daten verfügten, konnten wir mit einer Software die Verschlüsselung von Bayrams SIM -Karte decodieren und den anderen Gesprächsteilnehmer durch seinen Festnetzanschluss identifizieren. Sein Name lautet …«, Paschl sah kurz auf seine Notizen, »Hedi Essadi Boulahrouz, ein deutscher Staatsbürger tunesischer Abstammung. Er wohnt in einer Rottweiler Nachbargemeinde. Sein Foto hängt neben dem von Bayram.«
Die Journalisten blickten zu den Fotos an der Magnettafel. Paschl wartete geduldig, bis alle Augen wieder auf ihn gerichtet waren. »Wir wissen noch nicht, wer von den beiden den Mord verübt hat. Aber ich denke, dass Boulahrouz’ Verhör uns in den nächsten Tagen Aufschluss darüber geben wird. Der Tatverdächtige bleibt deshalb bis auf Weiteres in U-Haft.« Paschl vergewisserte sich, dass ihm jeder folgen konnte. Einige der Journalisten nickten. »Damit schließen wir den ersten Teil unserer Pressekonferenz ab. Im zweiten Teil stehen wir für Ihre Fragen zur Verfügung.«
Sofort sprang in einer der vorderen Reihen ein Mann mit weißen Haaren und weißem Vollbart auf. »Herbert Breitenreuther, Schwarzwälder Bote, Oberndorf.« Er lächelte. »Ich habe eine Frage an den Herrn Kommissar Paschl …«
»Hauptkommissar, mein Dienstgrad ist Hauptkommissar, Herr … wie war doch gleich ihr Name?« Paschl sprach mit leiser, aber deutlicher Stimme.
»Breitenreuther, Herbert Breitenreuther vom Schwarzwälder Boten in Oberndorf.« Wieder lächelte der Weißhaarige. »Eine Frage an den Herrn Hauptkommissar Paschl: Gibt es noch weitere Mitglieder der Rottweiler Terrorzelle?«
Rottweiler Terrorzelle. Wer war dieser Sensationsjournalist? Herbert Breitenreuther – sein Kürzel müsste demnach »hb« lauten. Vermutlich der Verfasser des Zeitungsartikels, der Treidler vorhin schon das Frühstück vermiest hatte.
»Gut, dass Sie das ansprechen, Herr …« Paschl nickte schnell.
»Breitenreuther.«
»Breitenreuther, ja. Im Moment können wir weder bestätigen noch ausschließen, dass sich noch mehr Terroristen in Rottweil aufhalten. Aber es ist durchaus im Bereich des Möglichen.« Paschl ließ seine Augen über die Anwesenden gleiten. »Nächste Frage, bitte.«
Breitenreuther blieb stehen. »Gibt es Verbindungen zwischen der Rottweiler Terrorzelle zu anderen islamistischen Terrororganisationen wie beispielsweise Al Kaida?«
Eine ältere Journalistin mit einem Diktiergerät in der Hand schaute verärgert zu Breitenreuther.
»Eigentlich erlauben wir jedem Medienvertreter nur eine Frage.« Paschl reckte das Kinn. »Aber ich will Ihnen trotzdem eine Antwort geben: Auch
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