Letzte Ausfahrt Neckartal
nicht so auf«, fuhr Treidler ihn an. »Sie haben hier schon mal gar nichts zu sagen.«
»Mit Ihnen habe ich überhaupt nicht gesprochen, Herr Hauptkommissar.« Paschls Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen.
»Das ist vielleicht ein Fehler. Denn wir haben in der Zwischenzeit das Phantombild des Mörders. Und ich meine damit nicht den armen Typen, der zur Tatzeit zufällig mit Bayram telefoniert hat.«
Paschl löste sich vom Sideboard und trat einen Schritt auf Treidler zu. »Wollen Sie etwa unsere Ermittlungsergebnisse in Zweifel ziehen?«
»Nein, ich will sie nicht nur in Zweifel ziehen, sondern ich bezeichne sie als vollkommenen Blödsinn.« Er hatte ausgesprochen, was er im Grunde schon seit Tagen wusste.
Paschl schnaubte. »Sie haben doch überhaupt keine Ahnung, Sie … Sie kleiner Dorfpolizist.«
Treidler sprang auf und ballte die Fäuste. »Wissen Sie was, Sie glatzköpfiger BKA -Wichser? Richtig gut würde ich es finden, wenn Sie endlich die Schnauze halten und sich zurück nach Wiesbaden verpissen. Sonst vergesse ich mich noch.«
»Jetzt reicht’s.« Ein weiteres Mal schlug Petersen mit der Hand auf die Tischplatte. »Keine Beleidigungen hier in meinem Büro. Das gilt auch für Sie, Herr Paschl.«
»Sie haben recht, Herr Kriminalrat.« Paschl lehnte sich wieder ans Sideboard. »Aber die Einstellung zu unserem Beruf, die der werte Kollege hier von sich gibt, die passt einfach nicht mehr in die heutige Zeit. Dieser Mann ist ein Dinosaurier von einem Kriminalbeamten …«
»Verdammtes Großmaul.« Treidler fixierte ihn.
»Reißen Sie sich zusammen, meine Herren. Und Sie setzen sich wieder hin.« Ein weiteres Mal richtete Petersen seinen Füllfederhalter aus. »Also, Herr Treidler, klären Sie uns bitte auf. Was hat es mit diesem Phantombild auf sich?«
Treidler setzte sich wieder hin und erzählte in Stichworten vom Virus auf dem USB -Stick, dem Erpressungsversuch und der Verwechselung der Opfer. Er berichtete von der Befragung Kowalskis im Kattowitzer Polizeirevier und dem Phantombild, das aufgrund seiner Beschreibung erstellt wurde. Schließlich schloss er mit ihrer Vermutung, dass eine erfolgversprechende Spur zu Iceman nach Österreich führte.
»Wo ist dieses Phantombild jetzt?«, erkundigte sich Petersen.
»Drüben in unserem Büro. Wir wollten die Fahndung noch heute Morgen rausgeben.«
»Das übernehme ich«, sagte Paschl schnell, nachdem er die ganze Zeit über nur Treidlers Ausführungen gefolgt war.
»Wie kommen Sie darauf, dass ich damit einverstanden sein könnte?« Treidler ballte die Fäuste. Allzu lange jedoch würde er sich nicht mehr beherrschen können.
»Schon vergessen? Sie sind seit Montag nicht mehr für den Fall zuständig. KHK Winkler hat gestern übernommen. Und das ist gut so.«
Treidler konnte das Gefühl nicht abschütteln, dass den Worten Paschls noch etwas folgen würde. Sein Blick blieb an Petersens Gemälde hinter dem Schreibtisch hängen. Die einsame Jacht, die den Urgewalten des Meeres trotzte, war im Grunde nicht mehr als ein Spielball der Wogen.
»Außerdem habe ich mit Hauptkommissar Ignacio Sanchez de la Irgendwas aus Berlin telefoniert.« Auf Paschl Gesicht lag ein überlegenes Lächeln.
»Dann haben sich ja die zwei wichtigsten Beamten der deutschen Kriminalpolizei unterhalten.« Treidler konnte sich den Kommentar nicht verkneifen. »Hat er Ihnen von dem Mordfall berichtet oder sich gleich über die Oberweite seiner jungen Mitarbeiterin ausgelassen?«
»Er hat mir so einiges über Horst Stankowitz erzählt«, sagte Paschl wie beiläufig.
»So? Was denn?« Melchior funkelte Paschl an.
»Er gehörte zu den weiterhin intakten Stasi-Seilschaften, die sich in Pankow breitmachen.«
»Breitmachen?«, echote Melchior. »Verdammt, Rüdiger. Er wohnt seit dreißig Jahren dort.«
»Das ändert nichts an der Tatsache, dass er für den MfS gearbeitet hat.«
»So wie Tausende andere auch, die nach wie vor im Polizeidienst sind. Auch beim BKA .«
»Das ist in diesem Fall nicht relevant. Das Unterschlagen von Beweismitteln stellt für sich alleine schon ein schweres Dienstvergehen dar. Aber einen ehemaligen Stasi-Mitarbeiter zu beauftragen, Nachforschungen darüber anzustellen, ist noch eine ganz andere Dimension.«
Für einen Moment dachte Treidler, dass Melchior die Fassung verlieren würde. Sie atmete schnell und fixierte Paschl wie ein Stier das rote Tuch. Doch kein Laut kam von ihren Lippen. Sie schwieg und senkte den Kopf.
Paschl räusperte sich.
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