Letzte Ausfahrt Neckartal
das ist im Bereich des Möglichen. Wir sind, wie gesagt, erst am Anfang unserer Ermittlungen.«
Falls Paschl gedacht hatte, Breitenreuther würde sich damit zufriedengeben und wieder Platz nehmen, so täuschte er sich. Wie angewurzelt blieb er stehen und hob die Hand. Wäre der Anlass nicht so ernst gewesen, so würde sich Treidler ob Breitenreuthers Hartnäckigkeit amüsieren. Besonders, weil sie von Paschl eine Disziplin abverlangte, die er nur noch schwer zu leisten vermochte.
Paschl seufzte und machte eine hilflose Geste. »Bitte, Herr Breitenreuther …«
Wenigstens hatte der durch seine Ausdauer erreicht, dass sich Paschl seinen Namen merken konnte. »Welche Vorkehrungen wurden getroffen, um weitere Anschläge im Fahrwasser der Rottweiler Terrorzelle zu vermeiden? Sei es von den lokalen Polizeistellen wie auch vom BKA .«
»Herr Breitenreuther …« Jeder im Raum konnte erkennen, dass es ihm schwerfiel, ruhig zu bleiben. Seine Lippen bebten, und mit einem gequälten Lächeln erklärte er schließlich: »Seien Sie unbesorgt. Das Bundeskriminalamt, Kriminalrat Petersen hier rechts von mir und Hauptkommissar Winkler haben bereits die notwendigen Maßnahmen ergriffen.«
»Diese sind?« Offenbar ließ sich dieser Breitenreuther nicht so einfach abspeisen. Ein bisschen bewunderte Treidler ihn dafür.
Paschl ignorierte den Reporter vom Schwarzwälder Boten und schaute in die Runde. Eine jüngere Frau mit blondem Kurzhaarschnitt und einer streng wirkenden Hornbrille stand auf, und wenn Treidler sich nicht täuschte, atmete Paschl erleichtert aus. Die Frau trug eine halbdurchsichtige Bluse und einen verknitterten Jeansrock. In ihrer linken Hand klemmte ein winziger Notizblock, während sie mit der anderen einen Bleistift hin und her schwenkte, als ob sie sich in der Grundschule melden würde. Paschl deutete auf sie. »Bitte.«
»Herr Hauptkommissar Paschl«, die Blonde erhob sich, »Marietta Obermann vom Webportal ›RottweilLive.de‹. Ich habe zwei Fragen an Sie.«
»Bitte, nur zu«, forderte Paschl sie mit einem gespielten Lächeln auf.
Obermann lächelte zurück. »Herr Hauptkommissar Paschl, unsere Leser wollen auch Persönliches über die Ermittler erfahren.« Sie setzte kurz ab, wohl um Paschls Reaktion abzuwarten. Doch der hielt seinen Glatzkopf schräg und schien darauf zu warten, dass Obermann ihre Frage stellte. »Deshalb meine erste Frage: Wie gefällt Ihnen unsere Stadt? Und meine zweite: Wo haben Sie während Ihres Aufenthalts übernachtet?«
Treidler stieß sich von der Wand ab. Im Unterschied zu Breitenreuthers eher amüsantem Auftritt nervte die Blonde schon jetzt. Er konnte das dümmliche Frage-Antwort-Spiel nicht ertragen. Womöglich kam die nächste Frage von einer Schülerzeitung, die wissen wollte, welches Paschls Lieblingsfarbe war. Er riss die Tür auf, verließ den Raum und ließ sie unnötig laut hinter sich ins Schloss fallen.
Vermutlich würde sein Verhalten eine dicke Rüge von Petersen nach sich ziehen. Doch in ein paar Monaten war der Graue weg, und Treidler musste sich mit Winkler als Nachfolger herumschlagen. Und das waren weitaus schlechtere Aussichten als ein Anpfiff von ihm. Diese verfluchte Pressekonferenz. Wäre der Anlass nicht so tragisch, würde er die Veranstaltung als Realsatire abhaken. Dieser Hedi hatte nach Kowalskis Aussage garantiert nichts mit dem Mord auf der Rastanlage zu tun. Am liebsten würde er den ganzen Müll für heute hinter sich lassen und nach Hause gehen.
»Morgen, Treidler.« Er schaute auf und erblickte Melchior. Sie hantierte mit einem Becher am Kaffeeautomat auf dem Flur. Ihrer entspannten Stimmung zufolge wusste sie weder etwas von der Verhaftung des Tatverdächtigen noch von der Pressekonferenz, die derzeit stattfand.
»Wir sollten uns eine eigene Kaffeemaschine besorgen.« Sie hielt einen halb vollen Pappbecher mit einer dunklen Brühe hoch, die nur entfernt an Kaffee erinnerte. »Dieser Automat hier funktioniert nicht richtig und macht dazu noch katastrophalen Kaffee.«
»Sie sind gerade erst gekommen?«, fragte Treidler.
»Ja. Direkt vom Auto zum Kaffeeautomat. Bin ich zu spät?« Eine senkrechte Falte tauchte zwischen ihren Augenbrauen auf.
»Kann man so sagen. Hier hat sich einiges ereignet, während wir in Berlin und Kattowitz waren.«
Die Denkfalte auf Melchiors Stirn wurde noch eine Spur tiefer. »Und was?«
Da ertönte Gepolter, und laute Stimmen drangen von der anderen Seite des Flurs herüber. Die ersten Teilnehmer
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