Letzte Ausfahrt Neckartal
schon, die Leute, die von verschiedenen europäischen Behörden auf den Balkan geschickt wurden, um Kriegsverbrechern auf die Spur zu kommen. Da waren auch welche vom BKA dabei.«
Treidler nickte geduldig, obwohl er jetzt lieber drüben in der Schießanlage seine Wut an einer Handvoll Zielscheiben ausgelassen hätte.
»Vor ein paar Jahren exhumierten sie in der Nähe von einem kleinen Dorf namens Plakovje vier Wachsleichen. Sie stammten von einem Mehrfachmord aus dem März neunundneunzig. Drei Frauen und ein Mann.«
Treidler konnte sich keinen Reim darauf machen, was die Wachsleichen mit dem Mord auf der Rastanlage zu tun haben sollten. Allmählich ging ihm Dorfler mit seiner Geschichte auf die Nerven. »Und wo ist der Zusammenhang?«
»Ich komme gleich darauf zu sprechen«, gab der zurück und fuhr sich über seinen mächtigen Schnauzbart. »Vermutlich hat es in den Tagen vor ihrer Ermordung heftig geregnet, und aus irgendeinem Grund, vielleicht durch einen Erdrutsch oder eine Schlammlawine, wurden die Leichen luftdicht eingeschlossen und konserviert. Die Körper blieben in einem sehr guten Zustand erhalten, und so konnten die Ermittler schnell die Umstände ihres Todes klären. Aber jetzt kommt’s.« Er hob den Zeigefinger. »Die Forensiker haben an den Leichen im Kosovo Talkspuren festgestellt. Und zwar genau dieses Steatit oder Magnesiumsilikathydrat, das auch die Turner benutzen und mit dem der Innenraum des Opels übersät war. An allen vier Opfern. Aber ganz deutlich an einer ledernen Brieftasche bei der männlichen Leiche.«
Treidler benötigte einige Zeit, um Dorflers Bericht richtig einzuordnen. Konnte das mit dem Talkum Zufall sein? »Das haben Sie Paschl so erzählt?«
»Ja, in etwa.« Dorfler nickte heftig.
»Und was hat er dazu gesagt?«
»Das sei nur eine zufällige Parallele. Er hat sich nicht einmal den Bericht angesehen – geschweige denn, die Daten aufgeschrieben.«
»Verdammter Ignorant.« Treidler warf Melchior einen finsteren Blick zu.
Melchior hob die Achseln. »Sie kennen ihn inzwischen. Er lässt keine anderen Ermittlungsansätze zu als die seinen.«
»War das eine Rechtfertigung für sein dämliches Verhalten?«
»Mann, Treidler.« Melchior schüttelte den Kopf. »Denken Sie auch manchmal darüber nach, was Sie sagen, bevor Sie den Mund aufmachen?«
»Nein, das ist nicht nötig.« Die Wut in seinem Bauch begann, erneut hochzukochen.
»Oh doch, ist es. Und außerdem wollte ich sein Verhalten überhaupt nicht rechtfertigen.«
Wieso sollte er ihr das abnehmen? »Natürlich«, entfuhr es ihm mit lauter Stimme. »Genau das haben Sie.«
»Es gibt keinen Grund, so aufzubrausen. Sie selbst sind das Problem.« Melchior presste die Lippen aufeinander.
Dorfler räusperte sich. »Ich muss dann mal.« Er wandte sich zum Gehen, stockte aber. »Ach ja, was ich noch wissen wollte: Wie war die Presskonferenz?«
Treidler warf ihm einen bitterbösen Blick zu.
»Das … das sollten Sie ihn besser nicht fragen«, gab Melchior zurück, und leiser Spott schwang in ihrer Stimme.
Dorfler hob die Hände, drehte sich auf dem Absatz um und verschwand in Richtung Treppenhaus.
Treidler ließ Melchiors Verärgerung einfach an sich abprallen. Sie würde sich bestimmt bald wieder abreagieren. »Jetzt hätte ich ein paar brennende Fragen an unseren Herrn vom BKA .«
»Ich auch«, sagte Melchior. »Aber wir wurden soeben vom Dienst suspendiert. Schon vergessen?«
»Weshalb lässt Paschl derartige Hinweise außer Acht? Und warum ermittelt er in Richtung islamistischen Terrorismus, obwohl die Beweise eine ganz andere Sprache sprechen? Die Festnahme dieses Tunesiers ist geradezu lächerlich.«
»Er will sich nur profilieren.« Melchior zuckte mit den Schultern. »Er hat schon immer nur seine Karriere im Kopf gehabt.«
»Warum zum Teufel wollte er so verdammt schnell die Fahndung nach dem Mann auf unserem Phantombild rausgeben? Bisher hat er sich kaum für unsere Ermittlungsergebnisse interessiert.«
»Das, das verstehe ich allerdings auch nicht.« Melchiors Augen schweiften in die Ferne.
»Sag ich doch. Das Ganze stinkt gewaltig zum Himmel. Mich würde es nicht wundern, wenn er beim Staatsanwalt aus irgendeinem Grund die Verlängerung der U-Haft für den Tunesier beantragt, dann Akten hin und her schicken lässt und so die Ermittlungen wochenlang verschleppt.«
»Ich weiß, dass Sie ihn nicht mögen«, entgegnete Melchior mit einem Kopfschütteln. »Aber das allein ist noch kein Grund, ihn der
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