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Letzte Ausfahrt Ostfriesland

Letzte Ausfahrt Ostfriesland

Titel: Letzte Ausfahrt Ostfriesland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor J. Reisdorf
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hatte.
    Er, der seinen Urlaub auf Borkum verbrachte, für den Oldenburg schon zum Ausland zählte, würde meinen Witz nicht verstehen, erst recht nicht die Situation, die jenseits seiner Vorstellungen lag.
    Mir kam der Mann entgegen, der mich von den Tauben vor dem Hause des heiligen Antonius weggeholt und zu diesem Puff auf Rädern gebracht hatte.
    »Good, Mister«, sagte er mit ernstem Blick, als gäbe es nichts einzuwenden und sein Dienst wäre eine Gefälligkeit mir gegenüber, den er hinter sich bringen wollte.
    Ich trug die Tasche selbst, folgte ihm über die Kanterstraat in die kleine Gasse, warf Blicke auf die vollen Brüste und langen Beine einer Schwarzen und ließ meinen sündigen Gedanken freien Lauf.
    Ich atmete noch einmal tief durch, als ich in seinen Wagen stieg. Den Uringeruch der Gasse nahm ich mit als Andenken an unerfüllte Träume.
    Dieses Mal wählte der schweigsame Mann den direkten Weg. Ich lehnte mich in die Polstersitze, während er zum Flughafen fuhr.
    Ich fand, dass man trickreich mit mir verfuhr. Mein Pass stimmte. Ich war Oberstudienrat, und sowohl die Holländer als auch die Türken rochen sofort nach dem Aufschlagen des Passes und einem Blick auf mein Gesicht und Gehabe, dass ich ein Pauker war, und zudem war ich bestückt mit beweisenden Dokumenten.
    Das war nicht schlecht!
    Ich nickte ein, denn das Brummen des Motors hatte mich schläfrig gemacht. Hinzu kam, dass ich bewusst auf Schonung meiner Kräfte umgeschaltet hatte, da niemand mir gesagt hatte, was mich in Istanbul erwartete.
    »Mister, wir sind da!«, rief der Fahrer. Seine Stimme riss mich aus meinen Träumen.
    Er parkte das Taxi, und als müsse er sich überzeugen, dass ich keinen Schlenker zur Polizei unternehmen würde, begleitete er mich zum Flugschalter, wartete geduldig, bis die Stewardessen mir die Bordkarte ausgehändigt hatten und ich zum Bus schritt, der mich zum Flugzeug fuhr.
    Er rief noch etwas hinter mir her, was ich nicht verstand.
    Er hatte seinen Auftrag erfüllt. Meiner lag noch vor mir, und ich konnte dessen Dimensionen noch nicht einmal ahnen.
    Erst als ich über die Gangway schritt, traf mich ein vernichtender Schreck.
    Das durfte und konnte nicht wahr sein!
    Unverkennbar! Die Gesprächsbrocken, die gebügelten Anzüge, die frisch geschnittenen Haare, die affigen Bärte, die aufgesetzte Würde der Männer und die Damen in Kostümen, die Geist statt Kurven verrieten.
    Ich befand mich mittendrin in einem Schwarm deutscher Lehrer, die sich hochnäsig, mit der ewigen hysterischen Angst der Leistungsgesellschaft, nicht beachtet zu werden, durch den Gang des Jumbos drängelten.
    Mir wurde übel, als eine von ihnen mit grauem Zopfhaar, gewölbter Bluse unter blauem Tuch und dicken Schenkeln neben mir Platz nahm und mich mit grinsendem Altjungferngesicht fragte:
    »Von welcher Schule kommen Sie, Herr Kollege?«
    »Um das zu vergessen, sitze ich hier«, antwortete ich bissig. Lieber wollte ich mit geschlossenen Augen fliegen, als diesem Weib auch nur eine Chance zu bieten, mich den ganzen Flug über zu nerven.
    Ich dachte unentwegt über meine Situation nach. Als scheinbarer Angehöriger der Pädagogengruppe befand ich mich zurzeit in Sicherheit.
    Doch wie sollte es in Istanbul weitergehen? Ich stand auf, verließ meinen Sitz, ging langsam zur Toilette und suchte die Gesichter der Reisenden ab, soweit mir das gelingen wollte.
    Niemand folgte, um mir einen Brief zuzustecken oder eine Order zuzuflüstern. Für einige Minuten verharrte ich vor dem Spiegel, doch dann suchte ich wieder meinen Sitz auf, bemüht, nicht in ein Gespräch gezogen zu werden.
     
    Die Flugplätze der europäischen Großstädte ähneln sich, haben aber dennoch ihre Eigenheiten.
    Dazu zählte nicht nur die Hitze, die uns empfing und uns sofort den Schweiß aus den Poren trieb, obwohl der Himmel bereits den Abend ankündigte.
    Die Pass- und Gepäckkontrollen, ohne Hektik, dafür aber von den Uniformierten umso gründlicher durchgeführt, zerrten an meinen Nerven. Überhaupt entdeckte ich mehr Polizisten und Soldaten als anderswo.
    Noch befand ich mich als schweigsamer Kollege wie ein Eigenbrötler in der Lehrergruppe, die sich langsam in Bewegung setzte, nachdem die Formalitäten überstanden waren.
    Vorsichtig, sichtbar bemüht, sich in dem Gewühle nicht zu verlieren, schleppten sie die Koffer und betraten die große Halle.
    Ich suchte nach einer Möglichkeit, mich abzusetzen, als aus dem Lautsprecher eine akzentfreie deutsche Durchsage

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