Letzte Ausfahrt Ostfriesland
Taxifahrer hatte sich einen Seehund oder Seelöwen in seine Haut einritzen lassen.
Ich öffnete den Umschlag und zog den Inhalt hervor.
Obenauf lag ein Stadtplan von Istanbul. Es folgte ein Brief, mit einer Schreibmaschine verfasst. Er trug keine Anschrift. Eine halbe grüne Dollarnote war mit Heftklammern angesteckt.
Halblaut las ich:
Sie wohnen in einem guten Hotel. Der Inhaber wird sich nicht um Sie kümmern, da Sie außerhalb frühstücken und Ihre Mahlzeiten einnehmen werden.
Für uns ist es wichtig, dass Sie sich wie ein Tourist frei in Istanbul bewegen. Wir werden unser Versprechen halten, aber erwarten von Ihnen einige kleine Dienste.
Besuchen Sie morgen gegen 12 Uhr türkischer Zeit den Kiosk Tistar Rasay auf. Sie können von Ihrem Fenster auf die rot-weiße Reklame schauen. Dort suchen Sie nach Ansichtskarten, fragen nach Camel Filter und ziehen die halbe Dollarnote hervor. Man wird Ihnen die andere Hälfte zeigen und Ihnen weitere Ordern erteilen.
Falls Sie versuchen, sich der Polizei oder dem deutschen Konsulat zu nähern, bringen Sie nicht nur Ihr Leben in Gefahr, sondern auch das Ihrer Tochter.
Wir wünschen Ihnen einen guten Aufenthalt. Vernichten Sie sofort diesen Brief, das dient Ihrer und unserer Sicherheit!
Ich war verwirrt, da ich zwar erneut aus dem Brief das Versprechen herauslas, Inga würde nichts geschehen, andererseits aber nichts erfahren hatte, worin meine Aufgabe schließlich bestand.
Mir fehlte es nicht an Geld und gutem Willen, den Touristen zu spielen, denn nie hatte mich ein Ort so fasziniert wie diese schöne Stadt.
Doch wie sah am Ende meine Mission aus?
Wie in einem Agentenroman konnte ich aus den vielen Sicherungsvorkehrungen schließen, dass diejenigen, von denen ich hier zum Blindekuh-Spiel verdammt worden war, ebenfalls Feinde hatten.
Und was geschah mit meiner Tochter, falls der Zufall mich in die Hände der anderen Seite trieb?
Ich stand auf. Vom Fenster blickte ich lange auf Istanbul. Jetzt leuchteten die Lichter voll in die Dunkelheit, auf dem Bosporus spiegelten sich die Farben der Transparente. In grüner Leuchtschrift entzifferte ich Damaribank, und dann fiel mein Blick auf die Leuchtbuchstaben oberhalb der Pontonbrücke. Ich las ohne Mühe den Schriftzug Tistar Rasay, dessen grelles Rot in den Bosporus fiel.
Entschlossen öffnete ich die Tür, drückte sie hinter mir zu und suchte den Mann an der Rezeption auf. Müde saß er auf einem Stuhl.
»Please?«, fragte er.
»I want beer«, sagte ich.
»German?«, fragte er, und wie eine Verheißung sagte er: »Six bottles.«
Er verließ das Büro und setzte mir dann einen Einwegpack Beck’s-Bier auf den Tresen.
»Good night«, wünschte er mir. Bezahlen musste ich nicht, und ich trug den Karton in mein Zimmer.
Mit dem Blick auf die Moschee, bei einer wunderbaren Temperatur, hatte ich die Füße zur Erholung auf den kleinen Tisch gelegt, hielt meine Zigarette zwischen den Fingern und genoss mein Bier, das nicht nur meinen Durst stillte, sondern auch meine Unruhe besänftigte. Selbst der orientalische Lärm, der in mein Zimmer drang, passte in meinen kleinen Abendfrieden.
Wie aus einer fremden Welt drang Lärm in mein Zimmer.
Erschrocken fuhr ich aus dem Schlaf, warf die leichte Sommerdecke ab und stellte mich ans Fenster. Die trockene, frühe Hitze brannte auf meiner Haut, während das grelle Sonnenlicht meine Augen blendete. Wie eine Kulisse zur Aufführung eines orientalischen Märchens lag Istanbul vor mir.
Ich wandte mich ab und fragte mich, welche Geheimnisse diese Stadt für mich in sich barg.
Ich betrat die Dusche, ließ das spärlich fließende, aber wohltuend kalte Wasser über meinen Körper rieseln und vertrieb damit noch für eine Weile das Hungergefühl.
Die frische Wäsche trug mit dazu bei, dass ich mich wie neugeboren fühlte. Selbst die mir von den Gangstern gespendete Cordhose saß fest im Bund.
Ich entschied mich für das bunte Sporthemd, es passte ebenfalls. Mein kleiner Bauch war verschwunden, denn der Stress hatte an meinem Gewicht gezehrt. Nur von meiner Lederjacke wollte ich mich nicht trennen, lieber schwitzte ich in ihr.
Ich steckte die Brieftasche ein, zog den Reißverschluss zu und hängte die Jacke locker über meine Schulter.
Im Hotel herrschte Trubel und Hektik. Ich hatte bereits geschlafen, als sich die Zimmer mit Gästen gefüllt hatten. Auf der Straße standen Autos, auf die die Sonne, die fast senkrecht über mir stand, knallte.
Ich schritt über die holprige
Weitere Kostenlose Bücher