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Letzte Ausfahrt Ostfriesland

Letzte Ausfahrt Ostfriesland

Titel: Letzte Ausfahrt Ostfriesland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor J. Reisdorf
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erkannte kleine Fenster und eine Tür, zu der einige Stufen führten.
    »Ihr Hotel«, sagte der junge Mann, ließ mich aussteigen und fuhr zu meiner Überraschung sofort an, als ich die Tasche aufgenommen hatte.
    Ich wollte mich von ihnen verabschieden, doch nur die kleine dunkle Hand des Mädchens winkte aus dem Auto, das an Geschwindigkeit gewann.
    Das Haus stand auf einem kleinen Felsen, und ich konnte hinunter in eine abfallende Gasse blicken. In einigen Hundert Metern Entfernung sah ich alte Menschen in dunklen Garderoben, die den Weg abwärts schritten.
    Ich stieg die Stufen hoch, öffnete die Glastür und schaute mich um. Die Empfangshalle war sauber und kühl. Dürftige Palmen wuchsen aus Kübeln, der Steinfußboden war geschrubbt. Auf einer Tür las ich von Messingbuchstaben: Rezeption.
    Niemand beobachtete mich. Ich vernahm nur meine Schritte.
    Ich klopfte an die Tür, öffnete sie und blickte in ein sauberes Büro. Ein kleiner Tresen teilte den Raum und deutete die Sperrgrenze für mich an.
    Vor der roten Fahne mit dem weißen Halbmond saß ein Mann auf einem Stuhl, der träge Belege zu ordnen schien. Er war korpulent und hatte einen Ventilator so gestellt, dass kühlende Luft sein blasses Gesicht bestrich. Er trug eine dunkelblaue Hose und ein offenes weißes Hemd. Sein Gesicht war fett und dennoch gutmütig. Nur wenige schwarze Haare bedeckten seinen Schädel.
    »Doktor Udendorf, Klaus Udendorf«, sagte ich. »Für mich ist ein Zimmer bestellt worden.« Ich zog die Brieftasche hervor und legte meinen Reisepass auf den Tresen.
    »Yes, I understand«, antwortete er, erhob sich, legte mir das übliche Anmeldeformular vor und wies auf einen Kugelschreiber, der an einer Werbeattrappe hing.
    Mein Englisch reichte aus, die Fragen zu beantworten, und als Grund meines Aufenthaltes gab ich Studienzwecke an, womit ich sicher nicht gelogen hatte.
    Der Hotelier studierte meinen Pass und nickte: »Room thirty-four.« Er griff unter den Tresen, reichte mir den Schlüssel und fügte einen prallen Briefumschlag bei, der meinen Kreislauf in Wallung brachte.
    »For you! Floor three.«
    Das Kuvert brannte in meiner Hand, dennoch überfiel mich eine Müdigkeit, als ich die Treppen nahm, ohne nach einem Aufzug zu suchen.
    Auch die Etage, auf der mein Zimmer lag, verriet kein Leben. Überall herrschte akkurate Sauberkeit.
    Das Zimmer war gut. WC und Dusche lagen hinter einer Seitentür.
    Ich schritt an das große Fenster, zog die Vorhänge auf und genoss einen Blick zum Träumen. Es gelang mir für Sekunden nicht, mich wegzureißen von dem, was ich sah.
    Eine prächtige Moschee mit riesigen Kuppeln, um die sich unterhalb und seitlich kleine Runddächer ausbreiteten, umgeben von schlanken Minaretten, die friedlich vor dem gelbblauen Himmel standen, der die ersten Zeichen der Dämmerung über sie warf.
    Alte Häuser mit flachen Dächern, in grau-braunen Tönen stuften sich wie Terrassen nach unten, wo ein Markt mit buntem Treiben vor den Kulissen alter Handelshäuser von einer Pontonbrücke umrahmt war, auf der kirmesartige Buden eine riesige Anzahl von Menschen angelockt hatten.
    Vor allem das blaue Wasser, auf dem farbige Schiffe schaukelten und Ausflugsboote warteten.
    Und über allem lag der Friede und das Gold der Sonne, die unterging.
    Der Lärm der Menschen drang zu mir, nicht störend, nein im Gegenteil, er klang für mich wie Engelsgebete.
    Ich wandte mich ab von der Pracht einer Stadt, die mir etwas zu geben versprach, von dem ich insgeheim träumte.
    Ich stellte die Tasche ab und mir wurde bewusst, dass meine Reisegestalter mich nicht wegen dieser ergreifenden Schönheit der Riesenstadt hierhergelockt hatten.
    Die Sorgen um meine Tochter schoben sich wieder in den Vordergrund. Ich spürte, wie der Umschlag in meiner Hand zu glühen begann. Vorsichtshalber verschloss ich die Tür und setzte mich dann in den Sessel, der neben einem kleinen Tisch stand.
    Das Kuvert trug meinen Namen, und ich machte einen kleinen schwarzen Stempel aus. Er war nicht größer als ein Fingernagel. Ich langte nach meiner Lesebrille und erkannte einen stilisierten Fisch. Eine angedeutete Wasserfontäne ließ darauf schließen, dass der Absender sich einen Wal als Firmenzeichen ausgedacht hatte.
    Für Sekunden tauchten Bilder aus meiner Erinnerung auf.
    Vielleicht war es ein Zufall, dachte ich, als mir einfiel, dass der Portier im Amsterdamer Hotel Uplemur eine Tätowierung trug, die einem springenden Delfin nahekam, und der schweigsame

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