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Letzte Ausfahrt Ostfriesland

Letzte Ausfahrt Ostfriesland

Titel: Letzte Ausfahrt Ostfriesland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor J. Reisdorf
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Stimmengewirr und Gepolter. Erschrocken trennten wir uns. Inga lud das Geschirr auf das Tablett und wischte sich die Tränen aus dem verheulten Gesicht, während ich zur Tür eilte und sie aufriss.
    Ich wurde gerade noch Zeuge einer Auseinandersetzung. Ich sah, wie Nababik seine Rechte in das Gesicht des Holländers stieß, der gegen die Wand torkelte, sich Blut aus dem Gesicht wischte und nach dem Geländer der Treppe griff.
    Ich folgerte, dass Nababik Steenblock das Betreten der Messe untersagt und ihn mit Gewalt daran gehindert hatte.
    Der Erste Offizier hatte erneut meine Partei ergriffen. Laut und mit der notwendigen Schärfe rief ich: »Mister Nababik, machen Sie Meldung über den Vorfall!« Ich ließ meine Tochter vorbei, ohne mit ihr zu sprechen, und suchte meine Kabine auf.
    Ich setzte mich an den Schreibtisch, rauchte und wartete auf den Ersten Offizier.
    Das kurze Wiedersehen mit meiner Tochter hatte mein Inneres aufgewühlt, mir aber gleichzeitig neuen Mut gegeben. Bisher hatten die Männer dieser Verbrecherorganisation Wort gehalten, doch dass ich noch nicht befreit aufatmen konnte, bewies mir ihre Bewachung und die Aussage, sie sitze in einer Dealerorganisation, aus der es kein Entkommen gäbe.
    Glaubte Inga nicht wie ich an eine faire Lösung, nachdem ich den Verbrechern äußerst wichtige Dienste erwiesen hatte, deren Tragweite mir allerdings noch zum Teil verborgen blieb?
    Ich gab mir einen Ruck, wollte mich fürs Erste mit den Ergebnissen zufriedengeben und mir weitere Gedanken am Abend machen, wenn sich meine Nerven beim Bier erholen konnten.
    Vor meinem geistigen Auge erschien noch einmal der torkelnde Holländer. Es war die Tätowierung auf seinem Arm, die mich plötzlich unruhig stimmte.
    Es war ein Rochen oder ähnlicher Fisch. Der Mann hatte seine Feindschaft vom ersten Augenblick offen gezeigt, und seine Drohungen konnte ich nicht einfach in den Wind schlagen, falls ich Inga retten wollte.
    Gehörte Mijnheer Steenblock zur Dealerbande? Ich studierte die Knöpfe der Sprechanlage, und es gelang mir, meinen Landsmann Ulrich Liebenau zu einem Gespräch zu mir zu bitten.
    Sekunden später betrat er mein Büro. Das heiße Mittelmeerklima hatte seiner zarten Haut kein nachhaltiges Braun verliehen, und um seine Gesundheit schien es nicht zum Besten zu stehen.
    »Setzen Sie sich, Herr Liebenau«, begrüßte ich den Funker und wies ihm einen Stuhl zu.
    Der Seemann war nervös, schluckte pausenlos und hatte Schwierigkeiten, seine Hände unter Kontrolle zu halten. Dankbar nahm er eine Zigarette an.
    »Herr Liebenau, der Dienst auf der Sea Ghost ist Ihre letzte Fahrt als Seemann, wie Sie sagten«, sprach ich zu ihm.
    Er nickte und seine Augen studierten mich mit flackernden Blicken.
    »Seit wann fahren Sie auf diesem Schiff?«, fragte ich.
    »Seit einem Jahr«, antwortete er.
    »Und was machten Sie vorher?«, fragte ich und beobachtete, wie er die Asche seiner Zigarette abstrich. Er rang mit sich, das verrieten seine zuckenden Bewegungen.
    »Ich hatte mich im Libanon selbstständig gemacht. Ein Café am Strand mit gutem Blick und mit vielen Schulden. Nicht der Krieg hat meine Existenz zerstört, sondern die unbarmherzigen Geldgeber, denn ich verkehrte mit Leuten, die nicht reich, aber auf der falschen Seite standen. Sie verstehen?«, sagte er kleinlaut.
    »Herr Liebenau, und wenn wir die Prämie bekommen, den Hafen Sant Feliu de Guixols wohlerhalten erreichen, dann sind Sie frei und fangen neu an«, sagte ich mitfühlend.
    »Ja«, antwortete er, »aber nicht in Spanien. Die Reise geht weiter nach Holland. Dort mustere ich ab, denn erst dort gibt es das Geld.«
    Der Erste Offizier betrat meine Kabine. Er nahm einen freien Stuhl und setzte sich dazu. Ich hatte den Eindruck, dass er bereits meine Absicht durchschaut hatte, denn auf seinem sonnengebräunten Gesicht lag ein feines Grinsen.
    Deshalb gab ich mich nicht weiter höflich und mitfühlend, sondern sagte hart und anklagend: »Herr Liebenau, in der Nacht war Jan Steenblock bei Ihnen, um einen Funkspruch absetzen zu lassen!«
    Der arme Liebenau wurde bleich. Seine Hände zitterten, als er die Zigarette ausdrückte.
    »Ich habe aus Gewissensbissen seine Nachricht noch nicht durchgegeben! Der Text liegt noch in meiner Kabine in der Schublade. Er hat mich bedroht und will mir ans Leben, falls ich nicht gehorche.« Der Funker schaute auf den Boden. Er war ein geschlagener Mann.
    »Sie werden uns seine Nachricht sogleich übergeben, und ich kündige Ihnen

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