Letzte Ausfahrt Ostfriesland
Bisher haben wir Glück gehabt und Chios ohne Schwierigkeiten passiert. Einige Grade vom Kurs ab, und schon sind sie da, die Kanonenboote. Die Griechen mögen die Türken nicht, und umgekehrt die Türken nicht die Griechen.«
»Ich verstehe«, sagte ich.
Beppo verließ die Brücke. Er vertrieb Steenblock und die Mädchen vom Deck, und ich vernahm einige Geräusche, und auch Schritte drangen auf die Brücke.
So als drohte der Sea Ghost eine Gefahr, stierte Nababik konzentriert auf den Radarschirm. Wir hatten Ikaria hinter uns gelassen, das entnahm ich der Seekarte. Das weite Meer lag nun vor uns. Frachter zogen vorbei, und ich entdeckte an Fischerbooten die weißen Streifen im Blau ihrer Fahnen.
Beppo erschien auf der Brücke.
»Die Lenzhöhe ist optimal«, sagte er und lachte.
»Beppo, leg dich aufs Ohr«, ordnete Nababik an. »Die Nacht kann aufregend werden. Du übernimmst um dreiundzwanzig Uhr.«
Beppo verließ uns.
Naiv fragte ich: »Ist schlechtes Wetter angesagt?«
Nababik lachte: »Kapitän, wir haben unsere teure Fracht zur Sicherheit in einem der beiden Trinkwassertanks verstaut. Dort liegen sie verankert, einige Meter unter der Wasseroberfläche, denn unser Frachtraum ist leer. Kapitän, Sie haben keine Ladung an Bord. Wir sind auf dem Weg nach Spanien, um in Sant Feliu de Guixols eine Ladung der Spanish Fruit Corporation aufzunehmen. Es herrscht zurzeit eine große Flaute in der christlichen Seefahrt. Fracht ist rar. Das wissen auch die Griechen. Ihre große Zeit ist sowieso vorbei.«
»Und wenn sie dahinterkommen?«, fragte ich.
»Wir gehen davon aus, dass sie nichts finden, falls sie überhaupt auf uns aufmerksam werden sollten. Klar?«
Ich nickte, doch mir war es nicht verständlich, wie man eine Rauschgiftladung in einem Wassertank verstecken konnte. Fragen wollte ich Nababik nicht. Außerdem konnte es von Vorteil für mich sein, wenn ich unschuldig wie ein Lamm eventuellen Polizeibesuchern entgegentreten konnte.
Als Ben Salotto die Brücke betrat, um Nababik abzulösen, ging ich nach unten.
Ich konnte der Versuchung nicht widerstehen, mich der Besucherkabine zu nähern, um für Sekunden mit Inga und Kaya zu sprechen, ihre Sorgen zu erfahren und ihnen Mut zuzusprechen.
Die Pistole in meiner Jacke gab mir Sicherheit, und ich hoffte, dass nun meine von Nababik untermauerte Autorität ausreichte, wenn der mutmaßliche Rauschgifthändler mich einzuschüchtern versuchen würde.
Aber nicht er saß auf der Lauer, sondern Zermi Zusaakyl. Er kniete auf dem Boden und schmirgelte im Overall das Holzgeländer, um es auf einen frischen Farbanstrich vorzubereiten. Er grinste freundlich, als ich an die Kabinentür klopfte.
Kaya öffnete und ließ mich mit verängstigten Augen eintreten.
Meine Tochter trug Jeans und ein T-Shirt. Sie saß auf der Pritsche und schrieb.
»Vater«, rief sie erfreut und hastete zu mir. Kaya sagte: »Es ist zu gefährlich. Sie dürfen nicht bleiben. Unser Leben ist in Gefahr.«
Ich strich Inga durch das Haar.
»Mein Kind, viel Zeit bleibt uns nicht. Was bedroht euch? Worin besteht die Gefahr?« Ich war bemüht, mich ihnen ruhig zu zeigen.
»Sie sind in der gleichen Gefahr! Der Mann, der sich Steenblock nennt, ist einer der Chefs des großen Rauschgiftsyndikats. Er hat Vertraute in Berlin, Amsterdam, Istanbul und vielleicht in Spanien«, sagte Kaya. Sie schlotterte vor Angst.
»Vater, sie haben dich geködert. Du hast Rauschgift nach Amsterdam transportiert. Sie holten dich nach Istanbul, weil du dort für sie unheimlich wichtig warst. Sie machten dich zum Kapitän, weil dein Vorgänger dem blassen Liebenau geheime Nachrichten anvertraut hat, die er an Norddeich Radio weitergeben sollte. Sie waren verschlüsselt für Interpol! Den echten Kapitän Harms haben sie deshalb im Libanon liquidiert! Kaya und ich sind ihre Köder!«
Inga hatte mir das schluchzend mitgeteilt, und ich begriff, dass es besser war, ungesehen die Kabine zu verlassen. Ich öffnete einen Spalt die Tür, schlich mich davon und beobachtete, dass der schmirgelnde Zermi mir kaum merklich zunickte.
Ich begab mich in meine Kabine, verschloss sie hinter mir, holte mir aus dem Kühlschrank ein Bier, öffnete die Flasche und verzichtete auf ein Glas.
Wie ein Verdurstender nahm ich einen großen Schluck, dann drückte ich den Knopf der Sprechanlage. Nababik meldete sich kurz.
»Hören Sie, Herr Nababik, es gibt eine Menge, über die es sich lohnt nachzudenken. Rufen Sie mich, falls das erforderlich ist«,
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