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Letzte Ausfahrt Ostfriesland

Letzte Ausfahrt Ostfriesland

Titel: Letzte Ausfahrt Ostfriesland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor J. Reisdorf
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der Aufbauten. Eine Außendusche mit kühlendem Wasser diente ihnen zur Erfrischung.
    Auf einem unangekündigten Rundgang an der Seite meines Ersten Offiziers entdeckten wir den blassen Funker Liebenau in lebhaftem Gespräch mit Steenblock und dem Matrosen Maru Malky. Ihre Unterhaltung erstarb schlagartig, als wir die letzten Stufen der Zugangstreppe verließen.
    Das Motorengeräusch drang in das Rauschen des vom Schiffspropeller aufgewühlten Wassers. An der libanesischen Heckfahne zerrte der Wind. Unser Blick reichte bis zum blauen Horizont.
    Ich beobachtete, wie sich Steenblock lässig erhob. Er näherte sich uns und hielt wie ein Prolet seine Hände in den ausgebeulten Hosentaschen.
    »Hi!«, rief er, und ich fragte mich, ob er wohl getrunken haben könnte. Ich machte mir Vorwürfe, dass wir sein Gepäck nicht heimlich durchsucht hatten, was zwar gegen die Vorschriften verstieß, doch wer von meinen Drahtziehern hielt sich schon an sie.
    »Kapitän, drei gegen zwei«, flüsterte Nababik, ohne seine Stellung zu verändern. Seine Brust lag auf der Reling des Hecks, und er stierte auf das Meer.
    Ich drehte mich um und fragte höflich, bemüht, meine innere Unruhe zu unterdrücken: »Meinen Sie mich?«
    Auch Liebenau und der bullige Maru Malky erhoben sich von den Sonnenstühlen.
    »Ihre Rolle geht dem Ende entgegen, Herr Theaterdirektor. Es wird keinen Beifall geben. Wir üben ein neues Stück ein. Ein kleinbürgerlicher Provinzler verkuppelt seine Tochter an einen Kanaken und vögelt ein kleines Türkenmädchen, weil ihm die Kapitänsmütze seines toten Vorgängers die Grütze zum Kochen gebracht hat.«
    Er hatte sich uns einen weiteren Schritt genähert.
    »Mann, an Bord habe ich das Sagen! Nehmen Sie sich zusammen!«, rief ich ihm im scharfen Ton entgegen.
    »Das wird sich noch herausstellen. Oder glauben Sie, die wenigen gekappten Drähte der Funkzentrale hätten unserer Macht und unserem Einfluss Schaden zufügen können?« Sein Gesicht war zur Fratze geworden.
    Liebenau und der Türke Maru Malky schwärmten seitlich aus.
    Ich wollte sie anbrüllen, wurde jedoch von dem losstürzenden Nababik zur Seite gestoßen.
    Ich sah noch, wie er sich auf Steenblock warf, ihn unterlief, sofort mit seinen Schultern wieder hochkam, den überraschten Holländer packte und ihn gegen die Stahlwand der Aufbauten schleuderte.
    Liebenau und Maru Malky eilten dazu und schlugen mit ihren Fäusten auf Nababik ein.
    Ich bemerkte eine Blutspur in seinem Gesicht und starrte auf die Pistole in der Hand des Holländers, der auf dem Boden lag.
    Mich erfasste Zorn und der Mut der Verzweiflung. Noch bevor Steenblock die Pistole auf jemanden richten konnte, trat ich sie ihm aus der Hand und spürte danach die dünnen Finger des Funkers an meiner Gurgel. Für Sekunden ging mir die Luft aus. Ein Schleier verdunkelte meine Augen. Mit letzter Kraft fuhren meine Hände hoch, und ich erwischte Liebenaus Haarschopf.
    Meine Finger verkrallten sich darin, und als müsse ich ihm die Kopfhaut abziehen, legte ich alle Kraft in meine Hände.
    Mein Atem setzte wieder ein, und ich hörte einen Schrei, der mir durch Mark und Bein ging.
    Für Sekunden war ich befreit, starrte auf die Stahlbrüstung und sah, wie Steenblock auf das blubbernde, blitzende, vom Schiffspropeller aufgewühlte Wasser aufschlug, untertauchte, seine Hände hochriss, noch einmal auftauchte, kraulartige Bewegungen machte und dann für immer unter Wasser verschwand.
    Ein harter Schlag gegen meinen Kopf nahm mir direkt danach die Besinnung.
    Hatte ich lange ohne Bewusstsein auf den Stahlplatten der Sea Ghost gelegen?
    Es war ein Schuss, der wie ein Donnerschlag meine Ohren traf und mich erzittern ließ.
    Ich öffnete die Augen, kämpfte mit meiner Verwirrung und beobachtete wie auf einer entfernten Bühne, wie der schwere Körper des Matrosen Maru Malky abknickte und sich in Zeitlupe dem Boden näherte.
    Ein Wimmern, mehr ein Weinen, lenkte mich ab, und da ich selbst nicht fähig war, auch nur einen Ton von mir zu geben, musste es ein anderer sein.
    Ich schaute mich um. Liebenau war es, der wie ein Häuflein Elend an der Ankerwinde lehnte und seine Nerven nicht mehr unter Kontrolle hatte.
    Für Sekunden tat er mir leid. Der chronische Geldmangel hatte ihn erpressbar gemacht. Geld war es, was ihn bewegt hatte, sich gegen uns zu stellen. Vielleicht war auch der türkische Seemann den Versprechungen Steenblocks auf den Leim gegangen.
    An der Stahlbrüstung stand Nababik und schaute wie

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