Letzte Ausfahrt Ostfriesland
vorher, als die Abtrünnigen ihren Angriff unternommen hatten, auf das Meer, als suche er den abgetauchten Steenblock.
Es gelang mir mit Mühe, mich zu erheben. Ich torkelte dem Ersten Offizier entgegen, stellte mich neben ihn.
Er sah mich nicht an.
»Du«, sagte ich, »das war meine erste Klopperei nach zweiunddreißig Jahren.«
Er legte mir den Arm auf die Schulter. »Und wo war das?«, fragte er und rieb sich mit der Hand die Blutspuren ab.
»In Pewsum, als der Schiedsrichter einen Elfmeter gegen mich gab«, antwortete ich glücklich, doch Nababik schob mich zur Seite und hastete davon.
Ein Schuss durchdrang den Maschinenlärm und das Wasserbrodeln.
Ich starrte in die Richtung, aus der die Detonation gekommen war, und sah Nababik, der dem verletzten Maru Malky die Waffe aus der Hand nahm.
»Ein Opfer ist genug, du geistloser Affe!«, brüllte er und kam wieder zu mir.
Ich beobachtete den Blutfleck am Oberschenkel des türkischen Seemanns, der anwuchs und von seinen Jeans auf den Stahlboden rann.
»Ich habe ihn angeschossen. Vielleicht wird er zum winselnden Hund, wenn er erfährt, auf welcher Seite er gestanden hat«, sagte Nababik.
Ich erwiderte nichts, denn ich sah die blaue Tätowierung auf dem Arm des Matrosen, den er hilflos von sich gestreckt hatte.
Meine Kapitänsmütze lag hinter dem Anker. Ich hob sie auf, setzte sie mir auf den Kopf und sagte zu Nababik: »Ich hole Beppo und Ben Salotto. Maru Malky muss auf die Station, und der Liebenau kann sich in seiner Kabine ausheulen. Er soll froh sein, dass wir ihn nicht zur Begleitung des Gangsters über Bord kippen.«
Während ich ging, sah ich, wie Nababik sich dem Funker näherte.
Ben Salotto und Zermi Zusaakyl, die ich zu mir rief, vernahmen von mir den Augenzeugenbericht, den ich ihnen nervös vortrug. Sie handelten sofort, holten aus dem Krankenzimmer die Trage und rannten zum Heck, während ich mit schweren Schritten meine Kabine aufsuchte.
Ich konnte meinem Ersten Offizier keinen Vorwurf machen, im Gegenteil, er hatte sein und auch mein Leben gerettet, denn dieser Steenblock hatte es auf uns abgesehen. Er hatte unseren Tod gewollt. Über die Konsequenzen, die sein Ende nach sich ziehen würden, wollte ich jetzt nicht nachdenken.
Ich rief den Koch an, bestellte mir Kaffee, den er mir wenige Minuten später selbst servierte.
Eigentlich hätte ich mich freuen müssen, diesen gefährlichen Gangster los zu sein. Aber ich war Pädagoge und kein Abenteurer, und wenn es vielleicht auch falsch war, so bedauerte ich doch das Schicksal des Mannes, der zu denen gehörte, die mich zu dieser Reise zwangen, hinter deren Ende für mich und Inga immer noch bedrohliche Fragezeichen standen.
Ich war froh, als Nababik kam und sich zu mir setzte.
»Das Schwein von Maru Malky hat noch Glück gehabt«, sagte er. »Die Kugel hat nur die Muskeln durchschlagen, soweit Zermi Zusaakyl, unser Erste-Hilfe-Mann, das beurteilen kann.«
Ich wunderte mich darüber, dass er kein Wort über den Holländer verlor, den er in Notwehr über Bord geworfen hatte.
Allerdings hatten weder er noch ich den Gedanken gefasst, Alarm zu geben. Wir waren volle Fahrt gelaufen, und es war fraglich gewesen, ob wir mit einer Such- und Rettungsaktion Erfolg gehabt hätten.
»Sympathie genoss Steenblock an Bord keine, nur Malky und den Liebenau hat er mit seinen Versprechungen ködern können«, murmelte Nababik.
»Wie nimmt die Mannschaft die Vorfälle auf?«, fragte ich.
»Noch tuscheln die Männer, doch ich schlage vor, dass wir zu einer kleinen Betriebsversammlung einladen und ihnen die Vorgänge schildern, wie sie sich abgespielt haben.«
Wir verließen meine Kabine, gingen zur Brücke und klärten Beppo auf, dass sich dieser Holländer nicht mehr an Bord befand.
Ich bemerkte, dass ihn diese Nachricht zu erfreuen schien.
Nababik drückte die Sprechtaste und forderte mit harter Stimme: »Bis auf Beppowitsch versammeln sich alle an Bord für eine kurze Besprechung in der Mannschaftsmesse.«
Die Sea Ghost fuhr volle Kraft, während sich vor uns der Horizont abzudunkeln begann. Beppo drosselte die Geschwindigkeit, da er nun allein den Dienst auf der Brücke versehen musste und auch der Maschinenraum unbesetzt blieb.
Als Nababik und ich die Messe betraten, waren alle anwesend. Selbst Inga und Kaya saßen unter den Männern und fühlten sich unwohl, den frotzelnden Bemerkungen der Seeleute ausgesetzt.
Zermi Zusaakyl hatte fairerweise auch den angeschossenen Malky hereintragen
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