Letzte Ausfahrt Oxford
kommende Bibliothek hat vermutlich weder Sicherheitstüren noch Vollzeitpersonal.«
»Sie scheinen davon auszugehen, dass die Welt voller unredlicher Menschen ist.«
»Wenn es um Bücher geht, werden plötzlich Leute unredlich, von denen man es nie gedacht hätte.«
»Wie wäre es mit einer Kaffeepause?«, schlug Kate vor. Vielleicht konnte sie bei einer Tasse Kaffee mehr aus den beiden herausbekommen. Dafür würde sie sogar ihre Schokoriegel mit ihnen teilen.
Kate entdeckte erfreut, dass der Kaffee aus einer qualitativ hochwertigen elektrischen Maschine kam und aus einem guten Geschäft stammte. Die Schokoriegel zauberten ein kühles Lächeln auf Tabbots schmale, bläuliche Lippen. Er holte sogar Porzellanteller, von denen sie essen konnten. Sie stellte fest, dass Ennis zwei Riegel nahm: Vermutlich musste er sich für die nervöse Energie schadlos halten, die er beim Nägelkauen verbraucht hatte.
»Nun«, sagte sie mit einem warmen, strahlenden Lächeln, »ich habe mich umgesehen und ein paar Bücher aus den verschiedenen Abteilungen genommen. Das sieht alles recht gut aus, obwohl die Erfassung der Modernen Sprachen und der Klassiker möglicherweise mehr Zeit als üblich in Anspruch nehmen wird.« Habe ich sie ausreichend eingelullt? »Das einzige Problem sind Ihre Sammlungen zu speziellen Themengebieten. Die hinter der verschlossenen Tür.«
»Die brauchen Sie nicht in Ihre Berechnungen aufzunehmen«, begann Tabbot, während Ennis ihr über seinen zweiten Schokoriegel hinweg einen Habe-ich-es-nicht-gesagt-Blick zuwarf. »Dabei handelt es sich nicht um Werke, mit denen sich Studenten oder die Mitglieder anderer Institutionen zu beschäftigen hätten.«
Aufgeblasener Spinner, dachte Kate. »Ich sollte sie mir aber wenigstens einmal ansehen«, sagte sie laut. »Damit ich einen vollständigen Bericht abliefern kann.«
»Das hat nichts mit Ihnen zu tun«, krächzte Tabbot. Seine Lippen hatten einen tiefen Lavendelton angenommen, was Kate ziemlich beunruhigte.
»Vielleicht sollten wir ihr einen kurzen Blick gestatten«, sagte Ennis nervös. »Nur, damit sie nicht glaubt, wir hätten etwas … Ungehöriges … zu verbergen.«
»Trinken Sie Ihren Kaffee aus«, sagte Tabbot, stellte die Teller ineinander, nachdem er die Krümel ordentlich in den Papierkorb entsorgt hatte, und stapelte das Geschirr auf einem Tablett.
»Soll ich spülen?«, schlug Kate in der Hoffnung vor, ihn milder zu stimmen.
»Wenn Sie das täten, wäre unser Hausdiener tödlich beleidigt«, sagte Tabbot. »Wir haben hier den besten Hausdiener, den das College je beschäftigt hat. Der wird nicht beleidigt. Ein für alle Mal!«
Doch gerade, als Kate befürchtete, die Sache endgültig in den Sand gesetzt zu haben, griff er in die zweite Schublade seines Schreibtischs, zog einen langen Eisenschlüssel hervor und erklärte: »Wenn Sie die Sammlungen unbedingt sehen wollen, sollten Sie mitkommen. Ennis, Sie beaufsichtigen die Ausleihe, während wir unterwegs sind.«
Tabbot ging voraus. Sie durchquerten die Bibliothek bis zu einer schmalen, spiralförmigen Steintreppe am Ende des Saals.
»Hier bewahren wir unsere Archive auf«, teilte er Kate mit und wies auf eine mit einem Vorhängeschloss gesicherte Tür zu seiner Linken. »Und hier bewahren wir unsere Sammlungen auf.« Er öffnete zunächst das Vorhängeschloss, dann schloss er die dicke Tür aus dunklem Holz auf der rechten Seite auf.
»Woher haben Sie die Sammlung?«, fragte Kate, nachdem sie den kleinen klimatisierten Raum betreten hatten. Tabbot tippte auf den Lichtschalter. Leuchtröhren flammten über den Regalen auf.
»Sie wurde uns von einem ehemaligen Mitglied in den sechziger Jahren testamentarisch vermacht«, sagte Tabbot. Von einem der oberen Regale holte er ein Buch herunter.
Sehr alt dürfte dieses Mitglied wohl nicht gewesen sein, dachte Kate, als sie die Illustrationen betrachtete.
»Der Band, den ich Ihnen gegeben habe, ist repräsentativ für die ganze Sammlung, aber weniger anstößig als manche andere«, erklärte Tabbot mit seiner präzisen Stimme.
»Ach wirklich«, sagte Kate. Sie schlug das Buch zu und ließ ihren Blick über die Regale wandern. Wollte Tabbot sie etwa auf eine falsche Fährte locken, indem er ihr das einzige pornografische Werk der ganzen Sammlung vorführte? Ein Band namens Pop-Up Kamasutra erschien ihr recht viel versprechend, aber die anderen Bücher sprachen sie überhaupt nicht an. Insgesamt schien die Bezeichnung »anstößig« durchweg auf
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