Letzte Ausfahrt Oxford
wirklich für so dämlich? Ich habe den Katalog hier in Oxford durchstöbert, um herauszufinden, welche Werke von The Veil noch in irgendwelchen düsteren Bibliothekskellern schlummern. Anschließend habe ich mich in einer spezialisierten Bibliothek in den Staaten kundig gemacht. In Kalifornien, um genau zu sein. In Santa Luisa gibt es ein College, das der University of California angeschlossen ist und sich auf Frauenromane des 18. und 19. Jahrhunderts spezialisiert hat. Die Bibliothek besitzt eine ganz wunderbare Sammlung der Bücher von The Veil , die allerdings die eine oder andere Lücke aufweist. Vor allem fehlen ihr einige Werke von Eliza Baughn, die ich zufälligerweise gefunden habe. Und zwar liegen sie im Keller von …
(An dieser Stelle nannte Harry den Namen der Bibliothek in Oxford , wo er fündig geworden war . So Leid es mir tut , aber es ist mir wirklich unmöglich , die Freiheit meiner Kollegen dadurch aufs Spiel zu setzen , dass ich den wirklichen Namen der Bibliothek enthülle . )
Tom: Also gut, stellen wir uns einmal vor, wir schaffen es wirklich, die Bücher in die Hand zu bekommen und unsere elektronischen Spuren zu verwischen. Können wir davon ausgehen, dass die Bibliothek in Santa Luisa sie kauft? Die müssen doch wissen, dass es sich um Diebesgut handelt.
Ich: Welch ungehobelter Ausdruck, Tom.
Harry: Tom hat da ein paar Probleme angesprochen, die wir vor einem weiteren Vorgehen aus dem Weg räumen müssen. Aber wozu haben wir schließlich unsere Fachkenntnisse? Ich schlage vor, dass wir zunächst einen Band Eliza Baughn ausleihen . Einen, von dem wir annehmen können, dass Santa Luisa Interesse daran hätte. John kann uns zeigen, wie wir unsere elektronischen Spuren im System ausmerzen, Tom sieht sich die Identifikationsmerkmale an und entscheidet, ob sie entfernt und durch etwas von uns selbst Entworfenes ersetzt werden können. Glücklicherweise waren im 19. Jahrhundert Stempel noch nicht sehr verbreitet. Wahrscheinlich muss nicht viel manipuliert werden. Ich habe mir sogar schon eine Sammlung einfallen lassen, aus der die Bücher stammen könnten: eine Sammlung, zusammengestellt von einer Suffragette und einem Fabier in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Wir könnten einen Brief fingieren, der aussieht, als stamme er von der derzeitigen Besitzerin der Sammlung, einer ältlichen Person, die dem College von Santa Luisa ein oder zwei Bände zum Kauf anbietet. Wortlaut ungefähr: Es wäre schön, einen angemessenen und glücklichen Bestimmungsort für die Bücher zu finden, der zudem der Göttlichen Vorsehung entspreche (so würde es die liebe Eliza formulieren), sowie den Wünschen und dem Glauben der Erwerber entgegenkomme.
Tom: Und wie wolltest du die Sammlung nennen?
Harry: Der Eiserne Schuh.
Ich: Den Zusammenhang verstehe ich nicht.
Harry: Aber für jede Anhängerin der Feministinnen des 19. Jahrhunderts wäre er sonnenklar. Die Eisernen Schuhe – oder auch Roten Schuhe – beziehen sich auf das Märchen »Schneewittchen« der Gebrüder Grimm. Am Ende der Geschichte muss die böse Königin bei Schneewittchens Hochzeit bis zu ihrem Tod in rotglühenden Eisenschuhen tanzen. Die Farbe Rot steht also sowohl für die glühende Hitze als auch für das Blut der sterbenden Königin.
Ich: Und wie lautet die feministische Botschaft des Ganzen?
Harry: Die Eisernen Schuhe sind die Strafe für jede Frau, die es wagt, sich der patriarchalischen Autorität zu entziehen und sich kreativ zu betätigen. Tom wird sich auf die Durchführbarkeit konzentrieren. Wenn du in deinen Fähigkeiten einen kleinen Hang zur Urkundenfälschung entdecken könntest, Tom, umso besser.
Tom: Keine Urkundenfälschung, Harry. Ich erfinde einfach ein ganz neues Emblem, das absolut nichts mit bereits existierenden Kollektionen zu tun hat. Den Entwurf ihrer Exlibris und Stempel sehe ich fast schon vor mir. Auch den Briefkopf habe ich schon ganz klar vor Augen, genau wie den Schreibstil der ältlichen Besitzerin. Und die Art des Papiers, die Zusammensetzung der Tinte …
Ich: Super, Tom. Wir anderen hier können deine verborgenen Künste nur rückhaltlos bewundern.
Harry: Wenn bei unserem ersten Unternehmen nichts schief geht, könnten wir uns vielleicht überlegen, eine regelrechte Suchagentur für seltene Bücher auf die Beine zu stellen. Bibliotheken, die ein bestimmtes Werk suchen, könnten Kontakt zu uns aufnehmen, und wir ermitteln, wo ein solches Buch zu finden ist. Allerdings sollten wir beim Aufbau
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