Letzte Ausfahrt Oxford
unserer Kontakte langsam und umsichtig vorgehen. Dann werden wir nämlich ziemlich schnell merken, welcher Bibliothekar willens ist, die Regeln ein wenig nachlässig zu handhaben, und uns später bei der Aufgabe helfen könnte, das richtige Buch ins richtige Regal zu stellen.
Ich: Wir fahren doch sicher alle dieses Jahr zu irgendwelchen Konferenzen. Dabei bieten sich bestimmt gute Möglichkeiten, unsere Fühler ein wenig nach Leuten auszustrecken, die unsere Sicht der Dinge verstehen. Aber zunächst könnten wir damit beginnen, dass jeder von uns eine Liste mit zwei oder drei möglichen Kontaktleuten in anderen Bibliotheken erstellt.
Harry: Aber wir brauchen einen Namen, hinter dem wir uns verstecken können. Wenn jemand misstrauisch wird, wollen wir doch nicht gleich entdeckt werden.
Tom: Wie wäre es mit »Oxford Bookfinders«?
Ich: Viel zu konkret. Auf keinen Fall dürfen wir unsere geografische Lage zu sehr in den Vordergrund rücken. Ich könnte mir etwas vorstellen wie »Bookfinders International«. Wir könnten uns eine Postfachadresse besorgen und …
Tom: Ehe wir uns jetzt mit den Einzelheiten beschäftigen, sollten wir noch einmal kurz auf Miss Baughn zurückkommen. Gesetzt den Fall, dass die Bibliothek anbeißt, wer von uns wird dann Dead – and Alive! nach Santa Luisa begleiten?
Und so, lieber Leser, fand ich mich eines schönen Frühlingstages kurz vor Ende des Frühjahrssemesters an Bord eines Flugzeugs nach San Francisco wieder.
Als ich damals John Extons Leben übernahm, als ich es nach seinem Tod für ihn weiterlebte und ihm damit einen Zeitrahmen eröffnete, den sein unglücklicher Unfall ihm beinahe verwehrt hätte, da habe ich mein eigenes Leben nicht vollständig ausgelöscht. Ein solcher Schritt hätte schließlich erfordert, mich an seiner Stelle zu töten. Aber auch wenn es in meinem Leben viele Dinge gegeben hatte, die ich nur allzu gern zu vergessen bereit war, wollte ich mich selbst doch nicht gänzlich eliminieren. Bis zu einem gewissen Grad lebte ich also unser beider Leben. Stellen Sie es sich ungefähr so vor, wie ein zweisprachig erzogenes Kind, das beide Sprachen beibehält (wobei natürlich klar ist, dass es mit zunehmendem Alter und Reife immer beschwerlicher wird, sich in beiden Sprachen auf jedem Wissensgebiet auszukennen). Nur weil ich John geworden war, verzichtete ich nicht vollständig auf Vivian. Das wäre in gewisser Weise eine Art Selbstmord gewesen, und so etwas kann ich nicht gutheißen. Nein, ich behielt einen Zipfel meines Lebens als Vivian. Unter diesem Namen unterhielt ich ein Bankkonto in einer der großen Geschäftsstellen, wo mich nie jemand bemerkte oder erkannte. Manchmal zahlte ich Geld ein oder hob etwas ab; außerdem besaß ich ein paar Kreditkarten, die ich allerdings nur hin und wieder benutzte, damit niemandem etwas auffiel. Ich behielt meinen Reisepass – den ich sogar einmal erneuern ließ – genau wie den Führerschein, der auf Vivs Namen lautete. (Als John musste ich erneut eine Führerscheinprüfung ablegen, und, so peinlich es mir ist, beim ersten Versuch bin ich tatsächlich durchgefallen. Ich habe die Prüfung dann ein paar Monate später wiederholt.)
Meine erste Reise nach Kalifornien machte ich also als Vivian Moffatt. Ich besaß Pass, Führerschein und Kreditkarten. Mein bei einem Londoner Reisebüro gekauftes Ticket war mit einem Scheck von Vivs Konto bezahlt worden. Ich machte mir nicht die Mühe, mein Aussehen zu verändern, denn ich konnte mir kaum vorstellen, in Santa Luisa irgendwelche Bekannten zu treffen. Zum fraglichen Zeitpunkt fand keine Konferenz statt, und der Campus ist klein und nichts sagend. Ich freute mich auf die Reise. Die Tatsache, dass ich ein gewisses Risiko einging, würzte das langweilige Reisgericht meines Lebens mit einer Prise Chilipfeffer.
Sehen Sie , Mrs . Dolby , ich bemühe mich redlich um einen lebhaften , individuellen Schreibstil . Und das , obwohl ich nicht vorhabe , Ihnen diese Seiten je zu zeigen .
In meiner Reisetasche befanden sich mehrere Bücher: ein paar Neuerscheinungen, die ich als dicke Paperbacks in der Flughafenbuchhandlung erworben hatte, sowie die drei Bände Dead- and Alive! von Eliza Baughn. Sie waren in tadellosem Zustand, hatten Exlibris, die sie als Bestandteil der Sammlung Eiserner Schuh auswiesen, sowie die krakelige Unterschrift einer gewissen Eleanor J. Westgate auf dem Vorsatzblatt (mit freundlicher Genehmigung von Tom), die mit einem Datum vom November 1863
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