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Letzte Ausfahrt Oxford

Letzte Ausfahrt Oxford

Titel: Letzte Ausfahrt Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Stallwood
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Hardys erster Roman Desperate Remedies , der zwar ein unglaublich ungeschickter Versuch war, dessen Titel jedoch für das gesamte Genre steht. Und selbst wenn ihr die Romane nicht kennt, die ich gerade erwähnt habe, so könnt ihr doch an den Titeln sehen, um welche Art Inhalt es sich handelt. (Er konsultierte eine Liste.) The Fatal Three , Dead Love has Chains , Sir Jasper’s Tenant , und mein ganz persönlicher Favorit, The Mystery : A Story of Domestic Life . Ich denke, ihr versteht, was ich meine.
    Tom: Ist ja wirklich faszinierend, Harry. Aber könntest du jetzt vielleicht auf den Punkt kommen?
    (Harry lächelte . Mir schien , er hegte nicht die geringste Absicht , diese seine ganz persönliche Einführung auch nur um einen einzigen wohl überlegten und ausgefeilten Satz zu kürzen . Mir persönlich gefiel es . )
    Harry: Ertrag es mir zuliebe, Tom. Du wirst sehen, das Ergebnis ist es wert. Wo war ich stehen geblieben? Ach ja, Empfindsamkeit. Ihr könnt euch sicher vorstellen, dass vor allem Frauen Vorreiterinnen dieses Genres waren. Habt ihr schon einmal von Mary Braddon gehört?
    (Wir nickten . Tom allerdings , das muss ich leider sagen , mit der ihm zur Angewohnheit gewordenen Ungeduld . )
    Tom: Mary Braddon. Mrs. Henry Wood, Eliza Baughn. Ja, Harry, wir kennen sie alle. Die meisten sind nichts als Mittelmaß.
    Ich: Frauen können keine Bücher schreiben. In Romanen geht es um Wahrheit. Und was wissen Frauen schon darüber? (Sie hatten mein Leben mit ihren Lügen angefüllt . Und nun zwangen sie mich , die Lügen zu leben . )
    Harry: Aber du kannst nicht einfach über sie hinweggehen. Denk bloß an die Schwemme von Frauenstudien, besonders in Nordamerika. (Stöhnen von Tom . ) Auf dem Rücken – wenn ihr den Ausdruck gestattet – von Schriftstellerinnen wie The Sisterhood of the Veil werden wohl noch einige Bücher geschrieben und einige Lehrstühle erlangt werden.
    Ich: Von denen habe ich schon viel gehört. Das war nicht nur eine Gruppe von Autorinnen, die sich für die Empfindsamkeit interessierten, sondern sie sahen sich selbst auch gern als Streiterinnen für soziale Belange ihrer Zeit an. Wilkie Collins stand mit ihnen im Briefwechsel. Er bewunderte sie sogar. Genau wie er lehnten sie die Ehe ab und sprachen sich für lockere Beziehungen aus. Sie verbrachten viel Zeit mit der Untersuchung von Fragen zur sozialen Ungleichheit. Sie scheuten sich nicht einmal, die gängigen Regeln des Britischen Empires infrage zu stellen, und bestanden darauf, ihre indischen und afrikanischen Mitbrüder als gleichgestellt zu behandeln. So etwas war damals ein unglaublich radikales und unpopuläres Verhalten, das könnt ihr euch sicher vorstellen. Der Schleier in ihrem Namen bezieht sich übrigens darauf, dass Seherinnen einen Schleier trugen. Der Schleier als Symbol der Prophetin. Die Gruppe versuchte, die soziale Ordnung vorzuleben, die sie für die Zukunft prophezeite. Sich selbst bezeichneten sie kurz als The Veil , und sie unterstützten sich gegenseitig sowohl auf der Gefühlsebene als auch im Beruf, und wenn es nötig war, auch materiell. Sie waren wie wirkliche Schwestern und verhielten sich nie wie Rivalinnen gegenüber den wenigen heiratswilligen Männern.
    Tom: Wie überaus politisch korrekt!
    Harry: Ganz genau. Und deshalb führen eifrige junge Frauen mit unrasierten Achseln, schwarzen Leggins und dicken Stiefeln ihr Werk bis heute rund um die Welt fort. Ihr wisst sicher zu würdigen, dass die Universitätsbibliotheken sowohl im 19. Jahrhundert als auch in den ersten drei Vierteln des 20. Jahrhunderts nicht unbedingt scharf darauf waren, sich die Werke der Autorinnen gleich massenhaft in den Bestand zu holen. Aber diese Ladys …
    Tom: Frauen, Harry. Ganz bestimmt keine Ladys.
    Harry: Na gut, wenn du meinst. Diese Frauen also stellten sich als überaus fruchtbar heraus. Sie produzierten nicht nur dutzendweise illegitime Nachkommen, sondern auch Bücher am laufenden Band. Um 1930 herum bemerkten plötzlich sämtliche akademischen Bibliotheken, dass sie viel zu wenig Platz in ihren Regalen hatten, und haben hunderte von den Dingern entsorgt. Übrigens gleichzeitig mit ganzen Sammlungen von Modemagazinen, nach denen heute wieder verzweifelt gesucht wird.
    Tom: Wir werden doch wohl kaum bei den ehrwürdigen Universitäten Nordamerikas die Werbetrommel in der Hoffnung rühren, dass wir ihnen unsere Bibliothekssammlungen empfindsamer Literatur andrehen können. Oder wie seht ihr das?
    Harry: Hältst du mich

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