Letzte Ausfahrt Oxford
es passiert?«
»Sie ist erdrosselt worden. Man vermutet, dass sie als Anhalterin gefahren ist. Der Mann hat wahrscheinlich versucht, sie zu vergewaltigen und sie umgebracht, als sie sich zur Wehr setzte. Sie wurde erst ein paar Tage später gefunden. Ein Bagger hat die Leiche freigelegt. Die Geschichte war wirklich tragisch, hat aber absolut nichts mit den Dingen zu tun, die wir gerade untersuchen. Sich das komplizierte Verfahren auszudenken, hinter dem wir her sind, und eine junge Frau auf einer Baustelle zu ermorden, das sind zwei ganz unterschiedliche Kaliber.«
»Hat man je den Mörder gefunden?«
»Nein. Niemand hat gesehen, wie sie in sein Auto stieg. Niemand war Zeuge, als sie von der Autobahn abfuhren. Wen hätte es auch interessieren sollen? Es war dunkel und hat in Strömen geregnet. Die Jugendherberge, wo die Gruppe übernachtet hat, liegt einsam. Keine Häuser in der Nähe. Die Polizei glaubt, dass es sich um einen Gelegenheitstäter handelt, und bemüht sich noch immer, nach Parallelen zu ähnlichen Fällen zu suchen.«
»Wenn der Abend wirklich so ungemütlich war, warum hat er sie dann im strömenden Regen ausgerechnet auf eine freie Fläche gebracht?«
»Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich werden wir es nie erfahren, außer, der Mann wird eines Tages wegen eines anderen Vergehens geschnappt und gesteht dieses gleich mit. Aber wie ich schon sagte: Jenna Coates kannst du getrost vergessen. Sie hat bestimmt nichts mit unserem Fall zu tun. Wir interessieren uns für verschwundene Bücher, nicht für Mordopfer.«
»Na, wenn du es sagst.« Kate leerte ihr Glas und dachte über die Bedeutung einer Pfingstrose nach. Ob sie Paul richtig verstanden hatte? Wäre er wohl sehr ungehalten, wenn sie ihn anrief und sich ein wenig eingehender nach dem Fall Jenna Coates erkundigte? Sie hatte immer schon die Meinung vertreten, dass tote Menschen wichtiger waren als verschwundenes Eigentum, so wertvoll es auch sein mochte. Einer solchen Ansicht würde Andrew allerdings mit Sicherheit entgegenhalten, dass es ihr nur an der richtigen Perspektive fehle, die eine gediegene Universitätsausbildung ihr durchaus hätte vermitteln können.
Am Abend vervollständigte Kate ihre Notizen. Es gab nicht allzu viel hinzuzufügen, aber was es gab, hatte mit Jenna Coates zu tun. Und hinter fast jedem Satz stand ein Fragezeichen.
V
Eine Variation der Erzählform
S chade , dass ich in den letzten Wochen nichts mehr von Ihnen zu Gesicht bekommen habe , Viv . Wenn Sie sich sicher genug fühlen , mir einige Seiten zu zeigen , würde ich mich sehr freuen , sie zu lesen .
Ist dies die Stelle in meiner Erzählung, wo ich die Form ändern sollte? Dann verwende ich vielleicht einige Seiten meines Tagebuchs. Ich könnte aber auch ein paar Briefe einfügen.
Der erste ist eigentlich gar kein richtiger Brief, mehr eine Notiz. Sie stammte von Harry.
J : Treffen in meinem Büro , morgen 17 : 00 . H .
Meine Antwort sah folgendermaßen aus:
H : Werde da sein . f .
Ich weiß nicht, wie Schriftsteller es fertig bringen, viele Seiten wunderbar ausgearbeiteter Prosa zu produzieren, die ihre Geschichte vorwärts treiben, während sie gleichzeitig das Tempo der Erzählung verändern. Vielleicht erfinden sie etwas dazu. Ich persönlich habe es immer amüsanter gefunden, mein Leben zu erfinden und die Wahrheit für meine Erzählungen zu reservieren. Im Interesse dieser Wahrheit werde ich Ihnen jetzt von jenem Treffen in Harrys Büro berichten. Grundlage sind die Notizen, die ich mir damals gemacht habe.
Harry: Danke, dass ihr so kurzfristig kommen konntet. Aber ihr werdet schnell merken, dass es den Aufwand wert war. Ich habe nämlich eine Idee. Ihr erinnert euch sicher noch, wie wir über das Produkt beratschlagt haben, mit dem wir an den internationalen Markt gehen wollen. Ich glaube, ich habe das Richtige für uns gefunden.
(An dieser Stelle legte Harry eine kurze Pause ein , wahrscheinlich zugunsten des dramatischen Effekts . Er hatte unsere ungeteilte Aufmerksamkeit . )
Harry: Ich bin sicher, ihr kennt euch mit den so genannten Empfindsamkeitsromanen des 19. Jahrhunderts aus, die man sozusagen als Töchter der vorausgegangenen romantischen Literatur sehen kann. Selbst angesehene Autoren bemühten sich damals, auf diese Art zu schreiben. Zu erwähnen sind hier vor allem Dickens mit Great Expectations und The Mystery of Edwin Drood ; natürlich Wilkie Collins, The Woman in White und The Moonstone , sowie Thomas
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