Letzte Ausfahrt Oxford
frische Luft ein und schwor sich, gleich am nächsten Wochenende einen Schrank aufzuräumen. Auf keinen Fall durfte sie so in der Unordnung versinken wie Emma.
Zurück zu Hause, rief sie Isabel an.
»Hallo, Kate. Ich habe mich schon gefragt, wann Sie mit mir über Jenna sprechen würden. Außer Ihnen interessiert sich anscheinend niemand für sie.«
»Hätten Sie Lust, mich zu Hause zu besuchen? Wir könnten eine Flasche Wein köpfen, und ich mache uns ein Omelett und einen kleinen Salat dazu.«
»Mit dieser tollen Basilikumsauce, von der Andrew erzählt hat?«
»Wenn Sie möchten.«
»In einer halben Stunde bin ich da.«
Kate freute sich über Isabels Appetit auf ihren Salat, hoffte aber, sie würde irgendwann lange genug mit dem Essen aufhören, um ihr die gewünschten Informationen zu geben. Sie füllte beide Gläser erneut mit australischem Semillon Chardonnay und befahl sich, ihre Mahlzeit ebenfalls zu genießen und nicht so ungeduldig zu sein.
»Könnten Sie mir ein paar Dinge erklären, Isabel?«, fragte sie. Sie überbrühte frisch gemahlenen Kaffee mit simmerndem Wasser. »Zunächst wüsste ich gern, was Sie während Ihres Praktikums in der Bodleian gemacht haben. Zweitens, wie wurden Sie Jennas Freundin? Nach allem, was ich über sie in Erfahrung gebracht habe, hatten Sie beide nicht sehr viele Gemeinsamkeiten.«
»Ich war keine echte Praktikantin. Im Gegensatz zu Jenna habe ich keinen Universitätsabschluss. Sie wollte sich anschließend in Bibliothekswesen spezialisieren. Ich war nur eine kleine Gehilfin und habe in einem der Lesesäle gearbeitet. Zu meinen Aufgaben gehörte es, Lesekarten auszufüllen und die Bücher in die Regale zurückzustellen – solche Dinge eben. Damals war ich noch weniger anspruchsvoll, wissen Sie.«
Zwar mochte Isabel sich einen anspruchsvollen Anschein geben, aber Kate war nicht so sicher, ob sich das auch in ihrem Kopf fortsetzte.
»Jenna gehörte nicht zu den Mädchen, denen junge Männer in Scharen nachliefen – sie hatten kein Auge für ihre Qualitäten. Aber sie war sehr beliebt bei der jüngeren weiblichen Belegschaft. Wir Frauen – sagen wir mal, die unter fünfundzwanzig – trafen uns regelmäßig zum Kaffee in der Kantine. Wir lachten zusammen, aßen Schokoriegel – was man eben in der Pause so macht.«
Es klang wirklich ziemlich unschuldig.
»Die Postkarte, die Andrew mir gezeigt hat – wissen Sie, die aus Santa Luisa –, war das die einzige, die Sie Ihnen aus Kalifornien geschickt hat?«
»Ich fürchte, ja. Vielleicht hat sie den anderen Mädchen auch welche geschickt, aber ich glaube, die haben sie nicht mehr. Postkarten hebt man in aller Regel nicht länger als ein Jahr auf, oder?«
»Hat sie je mit Ihnen über Unregelmäßigkeiten in der Bibliothek gesprochen?« Vorsichtig drückte Kate den Kolben der Kanne hinunter und füllte zwei Kaffeetassen. »Zucker? Sahne?«
»Ja, bitte mit Sahne. Und vier Stück Zucker. Nein, sie hat nie etwas Bestimmtes geäußert. Das war nicht ihre Art. Sie fand es nicht fair, jemandes Ruf zu zerstören, indem sie etwas herumerzählte, für das es keine Beweise gab. Ich glaube, sobald sie sicher gewesen wäre, hätte sie die betreffende Person zur Rede gestellt und sich dann an den Bibliothekar oder eine noch höhere Instanz gewandt und Bericht erstattet. Sie war sehr direkt und sehr ehrlich.«
Und sehr dumm, dachte Kate. Erst hat sie ihn gewarnt, dann ist sie zu ihm ins Auto gestiegen und wurde nicht mehr lebend gesehen. Aber das war vielleicht ein voreiliger Schluss.
»Hat sie je erwähnt, welche Bibliothek betroffen war?«
»Sie sagte, es ginge um mehrere Bibliotheken, aber dass sie erst auf ihrer letzten Einsatzstelle wirklich mit der Nase darauf gestoßen sei. Mir scheint, sie hat in Santa Luisa etwas gefunden. Aber das fehlende Puzzlestück wurde ihr glaube ich im Leicester geliefert.«
»Leicester? Im Leicester College?«
»Ja, dort hat sie ebenfalls gearbeitet. Hätten Sie vielleicht noch einen Schluck Kaffee, Kate?«
Kate goss ihr nach und stöberte die Überreste einer Dose Pfefferminzschokolade auf (die, soweit sie sich erinnern konnte, noch aus ihrer Zeit mit Andrew stammte).
»Hmm, Schokotäfelchen. Lecker. Möchten Sie keines?«
»Ich stehe nicht so auf Schokolade. Erzählen Sie mir, was Jenna im Leicester gemacht hat.«
»Sie hat in der Institutsbibliothek gearbeitet. Sie ist ziemlich klein und wird nur von den Studenten benutzt. Es gibt lediglich einen Bibliothekar und einen
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