Letzte Ausfahrt Oxford
langen, dünnen Hände war pergamentartig trocken. Kate redete weiter, ehe er sie erneut angreifen konnte.
»Sie kannten Jenna also doch?« Am liebsten hätte sie gefragt, seit wann und wo, wie gut und wie lange, doch sie fürchtete, Charles würde sie aus dem Büro werfen, wenn sie alles herausließ.
»Ich habe Ihnen bereits gesagt, dass ich sie nicht wirklich kannte. Wenn man jemanden nur dann und wann sieht, kann man das nicht als Kennen bezeichnen.«
»Als wir das letzte Mal miteinander sprachen, haben Sie mir den Eindruck vermittelt, sie weder je gesehen noch von ihr gehört zu haben.«
»Andrew, Ihre kleine Freundin wiederholt sich. Allmählich langweilt sie mich. Ich glaube, sie nimmt ihr Detektiv-Spiel viel zu ernst. Außerdem konnte sie mich nicht wirklich überzeugen, ihr weiterhin ein überzogenes Gehalt zu zahlen, ohne dass sie etwas anderes leistet, als herumzulaufen und führende Mitglieder dieser Universität zu beleidigen.«
Immer noch musste Kate seine Hände betrachten, diese weißen, weichhäutigen Bibliothekarshände mit den sorgfältig manikürten Nägeln. Aber sie sind stark, dachte sie. Unter der makellosen Haut sah sie Sehnen und Muskeln, die durchaus in der Lage waren, ein Mädchen zu überwältigen, ihm eine Strumpfhose um den Hals zu legen und fest zuzuziehen. Das Klopfen des Füllers wurde lauter und schneller. Kate hob die Augen zu Charles’ Gesicht. Der Mann war wütend. Ob es aber Andrew, ihr selbst oder Jenna galt, konnte sie nicht feststellen.
»Wir sollten die Angelegenheit noch einmal überdenken«, sagte Andrew. »Ich muss allerdings darauf hinweisen, dass Miss Ivorys Vertrag eine einmonatige Kündigungsfrist vorsieht, falls Sie tatsächlich vorhaben, ihre Anstellung zu beenden.«
»Sind wir fertig mit dieser Besprechung?«, fragte Kate. »Ich würde jetzt gerne gehen.«
»Schaffen Sie Ihre Freundin hier raus, Andrew«, sagte Charles.
Zunächst blieb Kate stumm, als sie die St. Giles hinuntergingen. Schließlich sagte sie:
»Was ist eigentlich mir dir, Andrew? Hast du Jenna ebenfalls gekannt? Hast du mir auch gewisse Dinge verheimlicht?«
»Nein, Kate. Ich kannte Jenna nicht. Sie war die Freundin von Isabel, nicht meine. Und sie starb, ehe ich Izzy kennen lernte. Und die Antwort auf deine zweite Frage lautet: Ja, ich habe dir gewisse Dinge verheimlicht. Jeder vernünftige Mensch würde das tun.«
»Nun, ehe du noch mehr Beweismaterial verbuddelst, gib mir lieber Isabels Telefonnummer.«
»Warum?«
»Weil ich sie gerne anrufen und etwas überprüfen möchte.«
»Du darfst sie auf keinen Fall ärgern.«
»Ich fahre meine Krallen nur bei Männern wie Charles aus. Mit deiner Isabel werde ich ganz lieb und freundlich sein.«
»Na gut.« Mit seiner sauberen Bibliothekarshandschrift schrieb er eine Telefonnummer auf einen Papierschnipsel. »Eigentlich weiß ich ja nicht, warum ich dich auch noch belohne. Du hast dich Charles gegenüber ganz ekelhaft betragen.«
»Stimmt genau. Keine Sorge, Isabel steht nicht auf meiner Liste. Aber Charles hat sich gerade selbst in die Spitzenposition geredet.«
»Meine Güte, was habe ich nur verbrochen, um jemanden wie dich zu verdienen?« Mit diesen Worten ging Andrew weiter Richtung Radcliffe Camera.
»Danke Kate. Du hilfst mir wirklich aus der Patsche. Ich möchte doch nächstes Jahr weitermachen«, sagte Emma.
Sie saßen in Emmas unordentlichem Wohnzimmer auf einem riesigen, durchhängenden Sofa, dessen Bezug von Katzenkrallen zerfetzt war. Kate hatte eine Plastikwanne mit Bügelwäsche beiseite geschoben und auf dem mit Krimskrams überhäuften Tisch eine winzige Ecke freigeschaufelt. Ihre Haut juckte beim Anblick der furchtbaren Unordnung. Sie konnte sich nicht vorstellen, wie Emma in diesem Tohuwabohu überhaupt in der Lage war, zu arbeiten. Sie selbst könnte hier keinen einzigen klaren Gedanken fassen, aber Emma schaffte es, eine nette Serie Kindergeschichten zu veröffentlichen, und auch ihr Schreibkurs war äußerst angesehen. Überleg doch mal, sagte eine Stimme in Kates Kopf, was sie erst erreichen könnte, wenn sie jemals hier aufräumen und ein bisschen Ordnung und Disziplin in ihr Leben bringen würde.
Emmas Grund, warum sie den Schreibkurs aufgeben wollte, war nur allzu deutlich.
»Du hättest mir aber ruhig sagen können, dass du wieder ein Baby bekommst«, erklärte Kate. Wie viele waren es jetzt? Drei? Vier? »Es muss schrecklich sein, sich nicht wohl zu fühlen und eine ganze Klasse voller
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