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Letzte Bootsfahrt

Titel: Letzte Bootsfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Dutzler
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auf den Zahn fühlen wollte.“ Gasperlmaier widersprach, obwohl er sich eingestehen musste, selbst schon einen Verdacht gegen den Loisl gehegt zu haben. „Aber der Loisl, der war doch noch gar nicht am Leben, als diese Geschichte vor fünfzig Jahren passiert ist.“ „Gasperlmaier, sei nicht blöd. Er kann ja beim Hausausräumen was gefunden haben, wo die Voglreiterin alle die anschwärzt, die jetzt tot sind. Und da hat sich der Loisl vorgenommen, die alle auszulöschen. Als Racheengel sozusagen.“ Der Friedrich, so redete sich Gasperlmaier ein, hatte eine blühende Phantasie. Er sträubte sich dagegen zu glauben, dass der Loisl ihr Mörder sein könnte. „Oder was glaubst du, wer’s war?“, setzte der Friedrich nach, dessen Schnitzel schon auf einen erdapfelgroßen Rest zusammengeschrumpft war. Gasperlmaier zuckte mit den Schultern. Rätselraten war seine Sache nicht. Nicht einmal bei den Fernsehkrimis, und in Wirklichkeit schon gar nicht. Alles, was er hoffte, war, dass seine Mutter nichts mit der ganzen Geschichte zu tun hatte.
    Als Gasperlmaier die Haustür aufsperrte, war es schon nach elf. Im Vorhaus war es dunkel. „Jemand zu Hause?“, rief er, ohne dass er eine Antwort erhielt. Nur oben hörte er Stimmen. Vorsichtshalber schaute er noch ins Wohnzimmer und in die Küche, doch da war alles dunkel. Er zog die Schuhe aus und kletterte die Stiege hinauf. Im Zimmer von der Katharina, da musste jemand sein. Musik war zu hören, und Gekicher. Gasperlmaier dachte sich nichts weiter dabei, als er die Tür öffnete, um der Katharina eine gute Nacht zu wünschen. Alles, was er allerdings zu sehen bekam, war der Kopf der Katharina, die kreischte, eine zerwühlte Bettdecke und, Gasperlmaier konnte es ganz deutlich sehen, einen dunkel und dicht behaarten Unterschenkel, der unter der Bettdecke hervorragte.
    Gasperlmaier warf die Tür zu. Sein Herz klopfte heftig. Dass er einen Fehler begangen hatte, war ihm sofort klar. Seine Gedanken schlugen Purzelbäume. Tagelang hatte er darüber gegrübelt, wie es möglich sein konnte, dass der Katharina Frauen lieber waren als Männer. In seinen Albträumen hatte er sich schon am Pranger stehen gesehen, weil die Katharina auf dem Standesamt in Bad Aussee eine Frau heiratete und sich die ganze Freiwillige Feuerwehr über ihn lustig machte, anstatt vor der Kirche Spalier zu stehen, wie es sonst der Brauch war.
    Drinnen im Zimmer war es wieder still geworden. Gasperlmaier überlegte, was zu tun war. Sollte er die beiden gewähren lassen? Sollte er froh sein, dass die Katharina sich doch mit einem Mann eingelassen hatte? Sollte er den Kerl hinausschmeißen? Immerhin war die Katharina noch minderjährig, und Großvater wollte er auf keinen Fall jetzt schon werden. Ob die Katharina wusste, dass es vernünftig war, ein Kondom zu verwenden? Er hatte leider nie mit ihr über solche Sachen gesprochen, das hatte er der Christine überlassen. Zu dumm, dass sie ausgerechnet in so einer brenzligen Situation nicht zu Hause war. Andererseits, dachte Gasperlmaier, wenn die Christine im Haus gewesen wäre, dann hätte es dieses fröhliche Geturne unter der Bettdecke überhaupt nicht gegeben. Sicher nicht.
    Aus dem Zimmer war jetzt eine Stimme zu hören. Eine tiefe. „Der spinnt doch, dein Alter!“ Gasperlmaier bemühte sich, kein Geräusch zu verursachen. Was bei dem Parkettboden, auf dem er stand, ein Kunststück war, denn der knarrte sogar, wenn die Katze drüberlief. Gasperlmaier bildete sich ein, leises Weinen aus dem Zimmer zu hören. Mit der Erotik, so dachte er bei sich, schien es nun ohnehin vorbei zu sein. Er entschloss sich, wieder ins Wohnzimmer hinunterzugehen und dort zu warten, bis jemand auftauchte. Hoffentlich, so dachte er bei sich, kam die Christine zuerst, denn die würde wissen, was zu tun war. Er schaltete den Fernseher ein und legte sich aufs Sofa, entschlossen, durchzuhalten, bis jemand kam.
    Als er einen Schlüssel im Schloss der Haustür hörte, schrak Gasperlmaier hoch. Im Fernsehen stritten gerade zwei Teilnehmer einer Talkshow über das ideale Rezept zum Abnehmen. Gasperlmaier schaltete ab und ging der Christine entgegen. „Du bist noch auf!“, war die überrascht. Gasperlmaier wusste nicht recht, wie er es anpacken sollte, die Christine über die Situation im Zimmer der Katharina zu informieren. „Da ist ein Bursch bei der Katharina im Zimmer!“, platzte er schließlich heraus. Die Christine zog eine steile Falte auf der Stirn. „Als ich gegangen bin, war

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