Letzte Bootsfahrt
haben“, stieß er atemlos hervor. „Schauen Sie sich die beiden da unten doch an! Sehen die so aus, als ob sie bei Facebook sind?“ Die Frau Doktor maß ihn mit einem interessiert-ironischen Blick. „Warum legen Sie sich denn so ins Zeug für die zwei? Habt ihr eine gemeinsame Leiche im Keller?“ Gasperlmaier schwieg verblüfft. Dass ihm aber auch alles, was er sagte, zu seinem Nachteil ausgelegt wurde!
Gott sei Dank bot das Geschehen im Grab Anlass für Abwechslung. Die beiden hatten inzwischen Seile um den Sarg gelegt und an der Baggerschaufel befestigt, die ihnen helfen sollte, ihre Last nach oben zu bringen. Die Frau Doktor beobachtete angespannt den Hebevorgang und ließ Gasperlmaier in Ruhe. Wenig später stand der mit Erde verkrustete Sarg auf dem Wagen, der sonst dazu diente, einen Verstorbenen zum Grab zu rollen, wenn gerade keine Sargträger zur Verfügung standen, was immer öfter vorkam. Die wurden nämlich auch immer älter und verstarben der Reihe nach, ohne dass jüngere nachrückten. Gasperlmaier erschauerte. Ohne das schwarze Tuch und die Blumen, nur der nackte Sarg auf dem nackten Karren, das sah in der Morgendämmerung schon gespenstisch aus. Ein paarmal schienen die Totengräber den Sarg mit dem Krampen oder der Schaufel getroffen zu haben, denn er wies einige tiefe Kratzer und Scharten an der Seite auf. Er hoffte, die Frau Doktor würde den Sarg nicht hier an Ort und Stelle öffnen wollen.
Als sich der August und der Otto mit dem Karren in Bewegung setzten, kam ihnen schon der Fredl entgegen, der sich die Hände rieb. „Kalt habt ihr’s hier! Hoffentlich fangt mir die Leich nicht im Auto zum Stinken an, wenn wir die Heizung einschalten.“ Die Frau Doktor verzichtete darauf, die ihr hingehaltene Hand zu schütteln, was den Fredl aber nicht zu stören schien. „Müssen Sie halt ohne Heizung nach Graz fahren!“, meinte sie nur.
Vor dem Friedhof wartete ein gewöhnlicher weißer Lieferwagen auf den Sarg. „Warum fahrst denn nicht mit dem Leichenwagen?“, fragte Gasperlmaier. Der Fredl tippte sich an die Stirn. „Glaubst, ich versau mir den schönen Mercedes mit dem ganzen Erdglump, das da dran pickt?“ „Hopp!“, schrie der August, als sie den Sarg anhoben und ziemlich unsanft in den Laderaum des Lieferwagens stießen.
Gasperlmaier war froh, als er zusammen mit der Frau Doktor in der Dorfbäckerei stand und einen Kaffee und ein Butterkipferl vor sich stehen hatte. Um diese Zeit hatte selbst er weder Lust auf Bier noch auf Leberkäsesemmeln. Obwohl im Wärmebehälter schon ein großer Laib vor sich hindampfte, der verführerische Düfte verströmte. „Stellen Sie sich vor, Gasperlmaier, der Voglreiter Alois, der ist noch immer nicht aufgetaucht!“, sagte sie. „Gestern war er zwar in der Arbeit, aber angeblich auf Außendienst. Wo er sich genau aufgehalten hat, das versuchen wir gerade zu überprüfen. In der Nacht ist er nicht heimgekommen. Seine Frau weiß angeblich nichts. Und unsere Leute haben ihn auch nicht in der Nähe von seinem Haus gesehen.“
Gasperlmaier schüttelte den Kopf. „Der Loisl“, beharrte er, „der ist kein Mörder. Vielleicht ist er selber umgebracht worden, oder vielleicht versteckt er sich aus Angst.“ „Gasperlmaier, Sie dürfen hier nicht Ihre Gefühle ins Spiel bringen. Der Loisl ist hochverdächtig! Wir wissen halt nur noch nichts Genaues über sein Motiv. Aber wer sollte es sonst gewesen sein?“ Gasperlmaier schwieg und kaute an seinem Butterkipferl. Ein wenig plagte ihn schon die Sorge, ob der heutige Einsatz nicht gefährlich werden würde. Schließlich hatten sie vor, den Lukas Pauli als eine Art Lockvogel zu verwenden. Wenn das nur gutgehen würde. „Und der schwarze Golf, der ist auch nach wie vor wie vom Erdboden verschluckt!“ Ungeduldig tippte die Frau Doktor mit der Schuhspitze auf den Boden, was Gasperlmaier etwas irritierte. Er wurde überhaupt leicht nervös, wenn jemand sinnlos Geräusche verursachte. Der Christoph zum Beispiel, der knackte beim Fernsehen immer mit den Fingergelenken. Nicht zum Aushalten!
Plötzlich ging die Tür auf, und der Friedrich kam herein. „Morgen!“, brummte er, nickte der Verkäuferin zu und deutete auf den Laib Leberkäse. „Mit Senf und Pfefferoni! Und tu ordentlich Leberkäse hinein! Nicht so wenig wie beim letzten Mal!“ Gasperlmaier wollte den Friedrich schon darauf hinweisen, dass es nicht gut für ihn war, so früh am Morgen schon so üppig und fett zu essen, ließ es dann aber bleiben,
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