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Letzte Bootsfahrt

Titel: Letzte Bootsfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Dutzler
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weil der Friedrich in dieser Hinsicht sowieso unbelehrbar war.
    „Wie packen wir’s denn an, heute?“, fragte er, nachdem er mit einem Bissen schätzungsweise ein Drittel der Semmel in seinen Schlund befördert hatte. Die Frau Doktor wischte ein paar Brösel zur Seite und förderte aus ihrer Handtasche eine Wanderkarte zu Tage. Als recht umständlich erwies es sich, genau den Kartenausschnitt aufzuschlagen und auf dem runden Tischchen zu platzieren, der die Ruine Pflindsberg zeigte. „Ein kleines Stück hinter der Ruine führt ja eine Forststraße vorbei. Da lassen wir uns absetzen. Das Fahrzeug muss natürlich entweder weg oder gut versteckt werden. Aus welcher Richtung kann unser Angreifer denn kommen, und wo könnte er flüchten?“
    Der Friedrich hatte seine Leberkäsesemmel schon verdrückt, wischte sich die Finger sorgfältig an seiner Serviette ab und nahm die Karte zur Hand. Er deutete auf drei Stellen. „Da zum Salzberg hin, in Richtung Oberlupitsch und da, in den Waldgraben. Da könnte er mit einem Fahrzeug hin. Mit einem Mountainbike oder einem Motorrad, zum Beispiel.“ „Und wenn er zu Fuß kommt?“, warf Gasperlmaier ein. Die Frau Doktor zuckte mit den Schultern. „Glauben Sie? Da wäre er sehr leichtsinnig, Er kann uns dann ja kaum entkommen.“ „Aber er weiß doch hoffentlich nicht, dass wir ihm auf den Fersen sind?“, gab Gasperlmaier erneut zu bedenken. „Er kann ja nicht wissen, dass der Lukas Pauli bei uns war!“ Die Frau Doktor packte die Karte zusammen. „Na ja“, meinte sie, „dann werden wir jetzt auf jeden Fall einmal die Teams postieren, an diesen drei Stellen, und wir selbst suchen uns eine gute Stelle in der Nähe der Ruine, wo wir uns verstecken können.
    Auf dem Posten war es voll. Zehn oder zwölf Polizeibeamte, fast die Hälfte von ihnen Frauen, drängten sich in dem engen Zimmer. Wie die Frau Doktor angeordnet hatte, waren alle in Zivil. Einige trugen Wanderkleidung, andere, die offenbar als Mountainbiker durchgehen sollten, trugen Raddressen. Gasperlmaier bewunderte gerade den prallen Hintern einer Kollegin in einem feuerroten Raddress, als ihn die Frau Doktor unsanft in die Rippen stieß. „Beherrschung, Gasperlmaier!“, murmelte sie. Resigniert musste Gasperlmaier einsehen, dass die Frau Doktor einfach keinen Fehler übersah. Nächstens würde er auch vor dem Nasenbohren genau überprüfen müssen, ob sie sich irgendwo in seiner Nähe aufhielt.
    Als die Frau Doktor mit ihrer Ansprache an die versammelten Einsatzkräfte begann, fiel Gasperlmaier ein, dass er vergessen hatte, seine Bergschuhe anzuziehen. Wo konnten die bloß sein? Er machte sich vorsichtig davon und hatte Glück: Sie lagen noch im Kofferraum seines Autos, das er vor dem Posten geparkt hatte. Völlig verdreckt zwar, aber immerhin. Leider befanden sich noch gebrauchte Socken darin, die natürlich nicht trocken gewesen waren, als er sie hineingesteckt hatte. Man roch es nicht nur in den Schuhen, sondern im ganzen Kofferraum. Dass ihm das nicht früher aufgefallen war.
    Eine halbe Stunde später stand sich Gasperlmaier neuerlich im Nebel die Beine in den Bauch. Der Friedrich hatte ihn und die Frau Doktor in der Nähe der Ruine Pflindsberg abgesetzt und war wieder hinuntergefahren. Für einen solchen Einsatz, so hatte er gemeint, sei er erstens zu auffällig und zweitens zu langsam. Von links näherten sich zwei der Beamten, die, als Radfahrer getarnt, einen der möglichen Fluchtwege im Auge behalten sollten. Die blonde Polizistin im roten Raddress war eine von ihnen. „Denkt daran!“, schärfte ihnen die Frau Doktor noch einmal ein, als sie anhielten, „wenn jemand vorbeikommt, jausnen oder Reifen aufpumpen. Wenn jemand in unsere Richtung kommt, Personenbeschreibung durchgeben, aber nicht aufhalten.“ Die beiden zurrten ihre Helme fest und radelten davon. Verstohlen warf Gasperlmaier dem roten Dress einige Blicke hinterher.
    Vorsichtig und langsam näherten sich Gasperlmaier und die Frau Doktor der Burgruine. Der Wanderweg wurde immer schmäler, und Gasperlmaier fragte sich, wie sie dem Attentäter aus dem Weg würden gehen können, wenn er vorzeitig auftauchte. Rechts und links des Weges wuchs nur zum Verstecken untaugliches Gestrüpp. Der Frau Doktor auf dem Fuß folgend schlich Gasperlmaier an Mauerresten vorbei, die Hand am Holster seiner Waffe. Plötzlich blieb die Frau Doktor stehen, drehte sich um und legte den Zeigefinger vor den Mund. Langsam, um kein Geräusch zu verursachen, zog sie ihre

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