Letzte Bootsfahrt
Zellwasser im Körper müsse in Schwingung versetzt werden, eine herrschaftliche Villa mit der üppigen, schmuckbehangenen Frau Schnabel und ihrem mürrischen, fetten Ehemann. Nicht zuletzt seine Mutter, die sich mit den Herren Schwaiger und Manzenreiter verdächtig gut unterhalten hatte. Noch dazu hatte sie Wein getrunken. Müde und verwirrt konnte einen das alles zurücklassen.
Gasperlmaier machte sich auf den Weg zum Sofa und schaltete den Fernseher ein, um sein Gehirn auszuräumen. Oft benutzte er den Fernseher nicht, um bewusst einer Sendung zu folgen, sondern lediglich, um bewegungslos auf dem Sofa verharren zu können und nichts denken zu müssen. Das hatte meist einen derartigen Erholungswert für ihn, dass er binnen kurzem einschlief, und zwar ganz egal, um welche Tageszeit oder Sendung es sich gerade handelte.
Schon begannen Gasperlmaiers Augenlider schwer zu werden, als die Christine ins Wohnzimmer trat, die Fernbedienung zur Hand nahm und leiser drehte. „So, Gasperlmaier. Du hast dich sicher gefragt, warum du heute ausgerechnet dein Lieblingsessen bekommen hättest sollen. Ich red gar nicht lang drum herum, ich sag dir gleich, worum es geht. Du wirst nämlich keine Freude damit haben. Ich fahr kommendes Wochenende zu einem WG -Treffen nach Salzburg.“ Gasperlmaier fand das nicht weiter tragisch. Wahrscheinlich hatte es irgendwas mit der Schule zu tun, die Christine war ja Volksschullehrerin, und da kam es schon vor, dass sie hie und da ein paar Tage auf einer Fortbildung verbrachte, wie er selber ja auch. Er würde schon allein zurechtkommen. „Ja, ja“, antwortete er daher nur etwas geistesabwesend, „fahr du nur auf deine Fortbildung. Wir kochen uns schon selber was. Oder wir gehen ins Wirtshaus.“ Die Christine schaltete nun den Fernseher aus, weil Gasperlmaier sich ihr nicht einmal zuwandte, sondern immer noch auf den Bildschirm starrte. „Gasperlmaier, WG heißt Wohngemeinschaft. Das hat nichts mit der Schule zu tun. Ich treffe mich mit den damaligen Mitbewohnern von Salzburg, als ich auf der Pädak studiert habe.“
Gasperlmaier spürte einen Stich. Er wandte sich ungläubig der Christine zu. Die WG , das war ein dunkler Punkt in ihrer Vergangenheit. Sie hatte offenbar damals in Salzburg ein paar wilde und ausschweifende Jahre verbracht und Gasperlmaier nie Einzelheiten darüber wissen lassen. Es sei sogar gut für ihn, hatte sie mehrmals gemeint, dass er nicht alles über diese Zeit wisse. Voriges Jahr hatte er erstmals einen der Kerle kennengelernt, die damals mit der Christine zusammengewohnt hatten. Der hatte seltsam gerochen, war ziemlich heruntergekommen gewesen und hatte auf Gasperlmaiers Terrasse einen Joint geraucht, worauf er ihn hinausgeworfen hatte. Es hatte damals etliche unschöne Szenen zwischen ihm und der Christine gegeben, er erinnerte sich gar nicht gern daran. Und nun wollte die Christine gleich ein ganzes Wochenende mit dem Kerl verbringen! Noch dazu in Salzburg.
Aber außer, dass er die Christine finster anschaute, fiel ihm nichts ein, was er erwidern hätte können. Gasperlmaier setzte sich auf. Mit der Erholung auf dem Sofa war es jetzt vorbei. „Schau, Gasperlmaier. Es ist ganz einfach. Vertraust du mir, oder vertraust du mir nicht?“ Gasperlmaier konnte sich zu keiner Antwort entschließen. Natürlich vertraute er der Christine. Sie hatte ihm ja in den vergangenen mehr als zwanzig Jahren keinen Grund gegeben, ihr nicht zu vertrauen. Aber was konnte man schon über die Zukunft wissen? Im Fernsehen war ja immer wieder zu hören, dass die Liebe und die Leidenschaft mit den Jahren abkühlten, dass man Beziehungsarbeit leisten müsse, um auch nach langen Jahren weiterhin gut miteinander auszukommen. Gasperlmaier erinnerte sich nicht, solche Arbeit jemals geleistet zu haben, und bekam nun gleich selbst ein schlechtes Gewissen. „Ich fahre nach Salzburg, um mich mit alten Freunden und Freundinnen zu treffen, zu plaudern, zu lachen, zu essen und zu trinken. Ich fahr hin, um mich zusammen mit ihnen an die alten Zeiten zu erinnern. Ich fahre nicht hin, um dich zu betrügen, weil ich dazu weder Lust noch einen Vorsatz habe. So einfach ist das. Und du solltest dir von vornherein jede unnötige Eifersucht sparen.“
Gasperlmaier fand, dass das ganz vernünftig klang, was die Christine da sagte, und er wollte ihr auch glauben, aber das Ziehen in seinem Magen sagte ihm etwas anderes. „Ganz wohl“, antwortete er deshalb wahrheitsgemäß, „ist mir dabei nicht. Siehst
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